Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
bittersten Erfahrungen seines Lebens: Wie wenig nämlich vollmundige Versprechungen im Ernstfall wert sind. Hätte er auf ein schriftliches Angebot, einen Vertrag gepocht, ehe er sich zur Flucht entschloss, wäre ihm manche Enttäuschung erspart geblieben (aber uns dadurch vielleicht das eine oder andere Stück entgangen).
So können wir uns nicht nur über die „Verschwörung des Fiesco zu Genua“, „Kabale und Liebe“ und den „Don Carlos“ freuen, die sich Schiller in dieser Zeit praktisch von der Seele schrieb, sondern wir lernen auch, wie fatal das Vertrauen auf eine mündliche Jobzusage sein kann.
Wer klug ist, wartet immer erst auf eine schriftliche Bestätigung, ehe er alles Weitere in die Wege leitet, und prüft im besten Fall vorher auch die Rahmenumstände eines Jobwechsels sorgfältig: Wie ist die wirtschaftliche Lage des neuen Arbeitgebers? Werden unrealistische Versprechungen gemacht – oder erwarte ich am Ende Unrealistisches? Wie ist das Betriebsklima? Ist etwa die Fluktuation ungewöhnlich hoch? Warum wird die Stelle neu besetzt oder neu geschaffen? An wen berichte ich, und wer berichtet an mich? Kenne ich vielleicht bereits Leute in dem betreffenden Unternehmen – und was erzählen sie? Und zu guter Letzt: Stimmen die Erwartungen des potentiellen Arbeitgebers mit meinen Erwartungen überein?
Doch selbst wer alles sorgfältig auslotet, ist vor Überraschungen nicht völlig sicher, weil sich die Rahmenbedingungen bis zum Jobantritt bisweilen komplett geändert haben können. Schon so mancher – bis hin zur designierten Sprecherin eines kurz darauf zurückgetretenen Bundespräsidenten – hat schmerzlich erlebt, wie rasch ein vermeintlicher Traumjob platzen kann.
Was Schiller in seinen jungen Jahren fehlt, ist die Lebensklugheit. Die Erfahrung, den Charakter eines Menschen und seine (leeren) Versprechungen richtig einschätzen zu können. Eine Klugheit, die sich häufig erst nach Jahren (und vielen Enttäuschungen) einstellt. Und die auch wir, jeder Einzelne für sich, uns erst erarbeiten müssen. Häufig geht dies nicht ohne Rückschläge und Enttäuschungen – auch wenn diese hoffentlich nicht so tief reichen wie beim jungen Schiller. „Ja, der verdient, betrogen zu sein, der Herz gesucht beim Gedankenlosen“ , schreibt er später, reichlich desillusioniert, in „Wallensteins Tod“.
Es soll übrigens nicht die einzige berufliche Enttäuschung bleiben, die Schiller mit Dalberg erlebt. Als er ein Jahr später, zurückgekehrt aus dem Bauerbacher Exil, tatsächlich einen Vertrag als Theaterdichter erhält und auch der mittlerweile zweimal umgearbeitete „Fiesco“ angenommen ist, glaubt er wirklich, es nun endlich beruflich geschafft zu haben. Er ist Dichter am vielleicht renommiertesten Theater seiner Zeit – der Traumjob ist Wirklichkeit geworden! Aber weit gefehlt: Der Ärger fängt jetzt erst richtig an, der vermeintliche Traumjob wird zum Alptraum. Die Bedingungen sind so mörderisch, die Bezahlung so lausig, dass Schiller in einem fort Erfolgsstücke schreiben und auf die Bühne bringen muss, um den Klauseln genüge zu tun. Bedingungen, an denen er zwangsläufig scheitern muss …
Schiller hätte gut daran getan, den Vertrag vor Unterzeichnung ausgiebig zu studieren. Denn ein klarer, kühler – und von Emotionen freier – Blick auf die Vertragsgestaltung ist unerlässlich, damals wie heute. Bei wichtigen Verträgen – beispielsweise bei der Bestellung von Top-Managern – sind es daher aus gutem Grund versierte Anwälte, die sämtliche Vertragsdetails aushandeln. Sie wissen, wo die Fallstricke lauern und wie im Idealfall keine Seite übervorteilt wird.
Wie gut ein Vertragswerk wirklich ist, zeigt sich nämlich erst, wenn der „Ernstfall“ eintritt. Wenn etwas nicht rund läuft. Wenn eine Seite unzufrieden ist und auf Erfüllung der vertraglichen Vereinbarung pocht. Und auch hier, im Falle Schillers, findet Dalberg immer wieder Klauseln, die er in seinem Sinne auslegen kann. Er moniert hier, krittelt da, und immer wieder kommt ihm eine Kleinigkeit zupass, an der er seine Kritik aufhängen kann. Es ist die unerbittliche Kleinlichkeit, die den Dichter – den Mann der großen Geste – schließlich zermürbt.
Und zu guter Letzt wird Schillers fast sittenwidrig zu nennender Jahresvertrag nicht einmal verlängert. Nicht anders als ein Jahrespraktikant, der erst schamlos ausgebeutet wird und sich anschließend etwas Neues suchen kann, wird Schiller einfach vor die Tür
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