Die Schlacht der Trolle
Boten, der unbeirrt fortfuhr: »Doch werft euer Leben nicht sinnlos weg! Folgt den wlachkischen Hunden nicht bis ins Grab. Die Zeit der blinden Treue ist vorbei! Marczeg Laszlár Szilas, der letzte wahre Marczeg des Landes Ardoly, bietet einem jeden, der sich ihm anschließen will, Frieden und Ehre an! Entscheidet euch, für wen ihr kämpfen wollt! Morgen kommt der Sturm, und wenn ihr bis dahin nicht an der Seite eurer wahren Verbündeten steht, werden wir euch für Wlachakenfreunde halten, und ihr werdet mit ihnen gemeinsam hinweggefegt!«
Mit diesen Worten wendete er sein Reittier und galoppierte zurück zu Szilas’ Linien. Einige Pfeile flogen hinter ihm her, aber der Bote hielt sich sicher außerhalb ihrer Reichweite.
»Wer seinen Posten verlässt, den schneide ich persönlich in Stücke«, rief Rurjos den Masriden zu, die ihre Blicke alle auf die kleine Gruppe um Tamár gerichtet hatten. In den bleichen Gesichtern sah Flores Zweifel, Unsicherheit und Furcht.
»Nein!«, rief Tamár laut und sprang mit einem Satz auf den flachen Wall. Behände setzte er über den Graben und wandte sich wieder um: »Nein, Rurjos.«
Der Marczeg schloss kurz die Augen und nahm den Helm ab. Er legte den Kopf in den Nacken. Regen tropfte ihm ins Gesicht, lief über Stirn und Wangen. Dann fixierte Tamár seine Krieger. Er schritt die Linien ab, blickte den Masriden und Szarken ins Antlitz, deren Augen ihm gebannt folgten.
»Wir haben diesen Krieg nicht begonnen. Nicht wir kamen wie Diebe in der Nacht in das Haus unserer Brüder und Schwestern! Nicht die Wlachaken waren es, die uns überfielen, sondern Szilas und seine Schlangenbrut.« Mit großer Geste wies Tamár in Richtung von Szilas’ Armee.
Langsam ging er an seinen Kriegern vorbei, den Blick fest auf sie gerichtet. Bis auf das Plätschern des Regens war kein Geräusch zu hören. Flores lauschte Tamárs Worten ebenso gebannt wie die dichten Reihen seiner Krieger.
»Ich werde mich Szilas niemals unterwerfen! Ich vergesse nicht, was er Turduj angetan hat! Was er unseren Familien angetan hat! Ich werde den Tod meines Vaters weder vergessen noch vergeben, und ich werde bis zum letzten Atemzug kämpfen, bis dieses Unrecht gesühnt ist. Und wenn dabei mein Blut die Erde tränkt, dann soll es so sein!«
Tamár machte eine Pause. Er hob den Streithammer hoch über den Kopf und rief: »Aber wenn wir in die Schlacht ziehen, will ich niemanden an meiner Seite wissen, der mir nicht treu ergeben ist! Niemanden, auf den ich mich nicht verlassen kann! Niemanden, dem ich nicht bereitwillig mein Leben in die Hände lege! Wer also nicht an mich glaubt, wer Turduj vergessen kann, wer nicht mit uns sein Blut vergießen will, der soll gehen! Keiner wird Hand an euch legen, wenn ihr mich jetzt verlasst! Darauf habt ihr mein Wort!«
Die letzten Sätze hingen noch in all ihrer Ungeheuerlichkeit in der Luft, als Tamár wieder den Wall erklomm und in die Reihen seiner Soldaten zurückkehrte. Flores sah ihn mit großen Augen an. Sie zweifelte nicht daran, dass er ernst meinte, was er soeben gesagt hatte, und das tat offenkundig auch niemand sonst. Keiner hier misstraute seinen Worten. Er würde jeden ziehen lassen. Er ist entweder verrückt, verzweifelt oder genial. Oder vielleicht auch ein wenig von alledem.
»Békésar!«
Es war nur eine Stimme, irgendwo verborgen unter all den Gesichtern zu ihrer Rechten. Eine einzige Stimme, ein wenig zittrig und doch klar, die das Schweigen durchbrach. Halb erwartete Flores, dass die Reihen sich lichten würden, dass die Masriden und Szarken nun einzeln oder in Gruppen zu Szilas überlaufen würden, anstatt an der Seite der verhassten Wlachaken zu kämpfen.
»Békésar!«
Andere fielen in den Ruf ein. Mehr und mehr brüllten den Namen ihres Marczegs, schrien mit aller Kraft, bis jeder einzelne Krieger den Schlachtruf brüllte, immer und immer wieder. Ihr Ruf donnerte über den Hügel, brandete in die Senke, war ohrenbetäubend. Selbst Flores wurde von der Gewalt des Schreis mitgerissen und rief aus vollem Hals den Namen ihres alten Feindes, ihres Freundes, ihres Liebhabers.
Sie sah Tamár, der scheinbar unbeteiligt zwischen den jubelnden Soldaten stand. In diesem Moment wirkte er wie aus Stein gemeißelt. Nur die Blässe seiner Züge zeugte von seiner Anspannung.
Unten im Tal wendete sich eine Gruppe Reiter ab und lenkte ihre Pferde in Richtung des feindlichen Lagers, das hinter dem nächsten Hügel lag. Flores glaubte, Szilas’ blondes Haar zwischen
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