Die Schlacht der Trolle
auf, Kerr. Sichere Wege!«
Anstatt zu antworten, brummte der junge Troll nur, blieb wie angewurzelt stehen und starrte nachdenklich nach Osten. Verwirrt blickte Sten ihn an, doch seine Aufmerksamkeit wurde wieder von den Feuern im Tal unter ihnen angezogen, wo seine Freunde und Familie vermutlich lagerten. Ich hoffe, wir kommen noch rechtzeitig. Andererseits … was können zwei Menschen in einer Schlacht schon bewirken?
Düstere Vorahnungen beschlichen den Wlachaken und zerrten an seinem Inneren. Ungewollt tauchten die Bilder aus seinen Visionen wieder vor seinen Augen auf, die Ströme von Blut, das brennende Land. Tod und Vernichtung hatte er gesehen, und mit einem Mal war er nicht mehr sicher, dass dies nur Schreckgespenste gewesen waren. Was, wenn ich nicht die Zukunft gesehen habe, sondern das, was bereits geschehen ist? Was, wenn die finsteren Gesichte bereits Wirklichkeit sind?
58
A ls Tamár die Augen öffnete, lag die Welt noch in Dunkelheit. Die kleine Feuerschale in seinem Zelt war erloschen. Für einen Augenblick wanderte seine Hand, suchte Flores’ Körper, doch dann erinnerte er sich, dass die Wlachakin in ihrem eigenen Zelt schlief. Enttäuscht ließ er sich zurückfallen und schloss die Augen. Die kurzen Momente mit Flores bedeuteten für ihn Ruhe in einer Welt des Sturms. In seinem Geist lauerte die Erkenntnis, dass es unmöglich so weitergehen konnte, aber bislang hatte er jeden Gedanken an die Zeit nach der Schlacht erfolgreich verdrängt. Noch einen Moment, dachte Tamár. Dann gehe ich hinaus in den Regen.
Es dauerte einige Zeit, bis Tamár bemerkte, dass es kein Geräusch von Regen auf den Zeltplanen gab. Überrascht öffnete er die Augen, stand nun doch auf, schlüpfte in die kühle Kleidung und legte seinen Waffengurt um. Als er vor das Zelt trat, sah er die Wachen, die am Wall und zwischen den Zelten postiert waren. Einige Feuer brannten noch, und ihr Geruch lag in der Luft, würziger Rauch, der diesmal nicht von den ewigen Sturzbächen niedergeschlagen wurde.
Am Himmel zeigte sich der Mond nur noch halb hinter Wolken verborgen, denen er einen silbrigen Schein gab. Wolkenbänder jagten einander, aber zwischen ihnen sah Tamár Sterne leuchten. Die Nacht ist die Zeit der Finsternis und der Feinde des Göttlichen Lichts, erinnerte sich Tamár an eine der vielen Litaneien des Albus Sunas. Doch das Göttliche Licht sendet uns den Mond, der uns vor der alles verschlingenden Dunkelheit beschützt. Der Tod geht in der Nacht um, holt die Alten und Kranken, die Kinder und die Schwachen. Nur das Göttliche Licht kann uns vor der ewigen Dunkelheit bewahren. Kindern erzählte man diese Worte, und Tamár wunderte sich, dass er sie immer noch auswendig hersagen konnte. Sein Vater hatte den Orden des Albus Sunas immer nur als Mittel gesehen, um seine Macht zu festigen, und sich nicht um den Glauben geschert. Auch Tamár hatte die morgendlichen Andachten mehr als ein notwendiges Übel empfunden, aber offensichtlich hatten die Ermahnungen der Sonnenpriester tiefere Wurzeln in seinem Geist geschlagen, als ihm bewusst gewesen war.
Der Wind wehte immer noch kalt von den Sorkaten herab, aber ohne den alles durchnässenden Regen war er kaum mehr als ungemütlich. Tamár fühlte sich unerklärlich beschwingt, als ob mit dem Regen auch seine düstere Stimmung verschwunden wäre. Schnell ging er zurück in sein Zelt und begann, seine Rüstung anzulegen. Heute wird Szilas angreifen. Er wäre ein Narr, wenn er dieses Wetter nicht ausnutzen würde. Die Ankunft seiner Reiter gestern hat seinen Soldaten Mut gegeben, und er weiß, dass sie bei uns das Gegenteil bewirken muss.
Die Sonne färbte bei ihrem Aufgang die Wolken rot. Zunächst in einem tiefen, dunklen Ton, der Tamár an Blut erinnerte, jedoch schnell heller wurde, bis der östliche Horizont in Rosa erstrahlte. Um den jungen Marczeg herum genossen die Soldaten die Strahlen der Sonne auf ihrer Haut. Auch Tamár schloss kurz die Augen. Immerhin noch einmal die Sonne spüren, bevor ...Wütend versuchte er, die ungebetenen Gedanken zu verscheuchen. Mit dem Licht kam allerdings auch Szilas’ Armee aus ihrem Lager, und Tamár spürte tief in seinem Innersten, dass die Wartezeit nun zu Ende ging. In den Reihen seiner Feinde entdeckte der Masride eine Spannung, eine allgegenwärtige Bereitschaft, die er in den letzten Tagen nicht bemerkt hatte.
Sein Blick wanderte über seine Soldaten. Neben ihm ergriff Köves den Speer fester; der Lederhandschuh des
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