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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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Ordensmitglieder und Ärzte hören doch auf ihn!“
    „Dann müssen wir es selber tun!“ stieß Eleonora hervor.
    „Sollen wir hier ein Schlachthaus einrichten? Ihr beiden, Harlan und du, ihr seid wahrlich ein reizendes Paar“, spottete Baruch, „vielleicht solltest du Harlan als Kommandantin ablösen.“
    Eleonora biss sich wütend auf die Lippen.
    „Ich werde mit ihm reden.“
    Die laute Diskussion erstarb augenblicklich. Alle Augen hefteten sich auf Darius.
    „Du willst mit Harlan reden, Darius?“ fragte Uriel ungläubig.
    „Ja. Ich kann noch immer nicht glauben, dass er eine solch bösartige Gesinnung hat. Ich habe mit ihm bisher sehr gut und persönlich sprechen können. Er erschien mir ganz anders, als ihr meint.“
    „Darius“, ließ sich Grim vernehmen, „das kann ich nicht zulassen. Wenn wir dich verlieren, verlieren wir unsere ganze Hoffnung.“
    „Es ist etwas Gutes in ihm, das sich vielleicht nutzen lässt. Ich weiß es.“
    „Und wenn du dich irrst?“
    „Ich könnte versuchen, ihn bei Tag zu finden“, entgegnete Darius. „Ich habe bisher nur wenige Orte in der Stadt besucht. Ich könnte es erneut versuchen. So war ich noch nie im Schloss!“
    „Im Schloss ist es dunkel“, sagte Grim, „dort könnten die Wachen sein.“
    „Warte mit diesem Vorhaben, Darius!“ sagte Uriel, „Warte, bis wir soweit sind, dich begleiten zu können.“
    „Nein“, sagte Darius bestimmt, „wir dürfen keine Zeit verlieren. Aber ich muss wieder reisen. Ich brauche Informationen, für mich, für euch. Und vielleicht sogar für Harlan.“

    Konzentriert und ruhig atmend saß Darius wieder auf dem magischen Sessel, jenem Tor zu anderen Welt, das derzeit noch einzig für ihn offen war.
    Das Bild, das sich jetzt formte, war der Eindruck eines kleinen Zimmers. Jemand saß dort auf einem Stuhl und blickte aus dem Fenster nach draußen. Direkt vor ihm war ein merkwürdiges, leuchtendes Rechteck, das aussah wie ein Schriftstück in einer hell angestrahlten Vitrine. Direkt davor befand sich eine Art Schreibmaschine, aber merkwürdig klein und flach. Die Person schrieb nicht, sondern war offenbar in Gedanken versunken.
    Darius schloss die Augen und entschwand.

    Darius sah sich, nachdem die übliche Benommenheit abgeklungen war, um. Er stand in einem kleinen Zimmer. Die rechte Wand wurde vollständig eingenommen von einem großen Bücherregal, indem sich so viele Bücher befanden, dass einige bereits quergestapelt waren.
    An der Stirnseite des Raumes befand sich ein großer Schreibtisch, vollgepackt mit Büchern, Manuskripten und einigen technischen Geräten, die Darius nicht kannte. Auch die leuchtende, rechteckige Scheibe mit der rudimentären Schreibmaschine war dort.
    Davor saß ein junger Mann. Er mochte höchstens Mitte zwanzig sein. Er schien völlig versunken in seine Gedanken, denn seine Augen blickten in weite Ferne.
    Darius trat an ihn heran. Er schien seine Anwesenheit nicht zu bemerken. Darius war unschlüssig, was er tun sollte. Er wollte ihn nicht erschrecken.
    Vorsichtig trat er an seine Seite und betrachtete sein Gesicht.
    Er kannte ihn.
    Es war der gleiche junge Mann, in dessen Augen er geblickt hatte. Damals, als er die Treppen des Schlosses hinabgestiegen war.
    Darius war fasziniert und aufgeregt. Die Gesichtszüge kamen ihm einmal mehr vertraut vor. Fast noch vertrauter als bei seiner letzten Reise in diesen entsetzlichen Krieg.
    Was mochte aus diesem Mann damals geworden sein? Ob sie miteinander verwandt waren?
    O Gott!
    Die Erkenntnis war ebenso banal wie bestürzend. Mit welcher Blindheit war er geschlagen gewesen!
    Hier saß sein eigen Fleisch und Blut! Und die anderen beiden Männer – der Soldat und der Spielmann - auch!
    Aufgewühlt sah er sich um. Die Bücher sahen anders aus als er es gewohnt war. Die Kleidung des Menschen vor ihm war etwas anders. Die Zeit war vorangeschritten.
    Vorsichtig trat er vor.
    Dann berührte er den Mann sanft an der Schulter.
    Er schien etwas zu merken, denn er richtete sich sofort auf und schloss die Augen. Darius stellte sich direkt hinter ihn und ließ ihn an sich anlehnen. Ganz liebevoll war ihm jetzt, so als wolle er ihm Kraft geben.
    Der junge Mann seufzte, aber er lächelte dabei.
    Er konnte ihn nicht sehen.
    Dies traf Darius schmerzhaft, aber nicht gänzlich unvorbereitet.
    Doch wie nur sollte er sich bemerkbar machen? Wie konnte er mit ihm in Kontakt treten?
    Er ließ von dem versunkenen Mann ab, der jetzt einen erwartungsvollen Blick auf einen

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