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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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merklich gesenkt. Sie musste offenbar fast jeden Tag etwas davon schlucken. Sophia kontrollierte. Die Flasche war noch da, ein kleiner Rest befand sich noch darin. Sophia stellte sie wieder zurück. Sie würde nur im Notfall etwas davon nehmen. Jede Substanz, die sie ihrer Kontrolle beraubte, war ihr suspekt.
    Sie ging zu ihrer Kammer.
    „Meine kleine Sophia!“
    Es war die Stimme ihres Onkels, die sie herumfahren ließ. Er stand auf dem Korridor und war sentimentaler Stimmung.
    „Du warst wundervoll heute Abend. Alle waren entzückt von dir. Das erfüllt mich mit Stolz.“
    Er war stark angetrunken und schwankte beim Gehen. Er stand genau zwischen ihr und ihrer Zimmertür.
    „Lass dich herzen und küssen, mein liebes Kind!“
    Schon hatte er die Arme um sie gelegt und an seinen massigen Körper gedrückt. Er roch nach Wein und Absinth, und der Geruch von Schweiß mischte sich dazu.
    „Dein Onkel hat dich schrecklich lieb!“
    Er begann, ihren Hals zu küssen. Sophia wandte sich entsetzt ab und versuchte, ihn wegzuschieben. Er reagierte nicht und bedeckte ihre Wange mit feuchten Küssen.
    „Bitte nicht! Du bist doch mein Onkel!“
    „Genau! Der dich innig liebt! Der viel für dich tut! Sei ein bisschen lieb zu mir! Ich habe es mir wohlverdient!“
    Seine Hand glitt ihren Rücken hinunter an ihr Gesäß und grub sich dort in ihr festes Fleisch.
    „Schön bist du!“ stöhnte er.
    „Bitte, Onkel Edgar! Wenn jemand kommt!“ Ihre Stimme blieb die ganze Zeit ruhig.
    Er hörte nicht. Stattdessen wühlte sich seine andere Hand in ihr Haar. Plötzlich grabschte seine andere Hand an ihre Brust. Er schob sein Becken vor und begann es an Sophias Schenkel hin- und herzubewegen. Sophia spürte durch den dünnen Seidenstoff seiner Frackhose seine Erektion.
    „O Gott! Mir wird schlecht. Hilf mir, Onkel Edgar!“
    Es war eine plötzlich Eingebung von Sophia, und sie ließ demonstrativ ihren Körper erschlaffen.
    Er hielt ein. Dann versuchte er, sie zu halten. Richtig erschrocken sah er aus. Sie atmete schwer und spielte noch ein wenig drohende Ohnmacht. Dann stand sie wieder alleine. Er ließ vollständig von ihr ab.
    „Tut mir leid, mein Goldstück“, murmelte er verdattert, „ich bin betrunken. Verzeih mir.“ Verlegen fuhr er sich durch das geölte Haar.
    Sophia zitterte leicht.
    „Es ist alles in Ordnung, lieber Onkel. Vielleicht gehst du wieder zu deinen Gästen.“
    Er brauchte eine Weile, nickte dann und sagte: „Das werde ich tun. Schlaf gut.“
    Dann trottete er davon. Er musste sich mehrfach an der Wand festhalten, um nicht zu fallen.

    Die gefürchtete Rache, die Sophia von Madame Hirschfeld erwartete, blieb aus, zumindest die nächsten Tage. Sophia lauerte aber ständig darauf, dass sie die nächste Gelegenheit nutzen würde, sie zu demütigen. Sie sollte es nur versuchen. Einige böse Pläne hatten sich in Sophias klarem Geist herausgebildet, die ebenfalls auf eine Gelegenheit warteten, durchgeführt zu werden. Sie machten es ihr leicht, die immerwährenden, dezenten Unfreundlichkeiten zu ertragen, die Madame auszuüben pflegte. Sophia lächelte immerfort höflich, aber fortan auch deshalb, weil sie sich darauf freute, ihrer Gegnerin einen schmerzhaften Schlag beizubringen, von der sie sich schwerlich würde erholen können.
    Sehr viel leichter war es mit Claudine. Claudine hatte weitaus mehr zu bieten als nur Klavierstunden. Sie war gebildet und wohlhabend, das einzige Kind eines reichen Gewürzhändlers, der seine seltene Anwesenheit mit hohen finanziellen Zuwendungen auszugleichen pflegte. Daher nannte Claudine eine großzügige Wohnung in der Näher der Île de la Cité ihr eigen, eine Haushälterin nahm ihr praktisch jede Art von Arbeit ab, die sie selbst nicht mochte. Dennoch war Claudine weit entfernt von dem Bild eines affektierten, verwöhnten Töchterleins. Sie war diszipliniert, ausdauernd, vielfältig interessiert und hatte einen untrüglichen Geschmack für die guten und meistens auch teuren Dinge des Lebens. Claudine war somit nicht nur belesen, sondern sie hatte einen ausgesprochen detaillierten Blick für Menschen und ihre Eigenarten. Das vergangene Fest war für sie eine wahre Fundgrube für Skurrilitäten. Die Klavierstunden, die zunehmend zahlreicher und länger ausfielen, waren nicht nur vom reinen Üben und Musizieren ausgefüllt, sondern zunehmend auch von intelligenten Plaudereien über Menschen und Marotten.
    Das Ereignis mit dem betrunkenen Monsieur Hirschfeld, von dem ihr Sophia

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