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Die Schlaflosen

Die Schlaflosen

Titel: Die Schlaflosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Kolb
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einschlafen, bis ich aufwache und merke, die Brille sitzt immer noch auf meiner Nase und der Fernseher läuft …
    Margot und Rottmann werden durch laute Stimmen aus ihrem Gespräch geschreckt. Von unten schallt es hoch, ›Budenzauber‹, ›Scheißschlafpapst‹.
    Na ja, sagt Margot in ihrer rauesten Stimme, meinen Sie nicht auch, die Dame hat das alles nur gespielt? Ist sie nicht zuvor instruiert worden? Ist sie nicht überhaupt eine vom Theater, die sich auf diese Weise Geld verdient? Sie habe von solchen Jobs schon gehört, arbeitslose Schauspieler machen so was, es gibt da die verrücktesten Sachen. Sie saß vorhin neben mir im Sessel, da ist sie mir schon komisch vorgekommen.
    Rottmann pflichtet ihr bei. Auch ihm kommt ein gewisser Verdacht. Vielleicht ist der Zauberer ja der Schlafpapst. Vielleicht ist er derjenige, der uns an der Nase herumführt? Vielleicht ist diese ganze Nummer nur Teil einer verrückten Idee? Vielleicht baut die ganze sogenannte Behandlung auf einer gut ausgetüftelten Methode auf, mit der die Seminarteilnehmer zuerst in einen wehrlosen Geisteszustand versetzt und innerlich weich gemacht werden, um dann empfänglich für das zu sein, was das Eigentliche ist?
    Und was meinen Sie mit dem Eigentlichen?
    Na ja, irgendwelche geheimen Methoden, eine Art Hypnose vielleicht, ein suggestiver Trick, mit dem eine Kollektivreaktion hervorgerufen wird, was weiß ich …
    Der Gedanke gefällt ihm. Könnte nicht jemand auf einen derart gemeinen Einfall kommen, wenn er schon viele Seminare mitgemacht und die Dynamik kleiner seelisch bedürftiger Gruppen erforscht hat?
    Margot rückt ihre Kappe zurecht und erzählt Rottmann von einer Begegnung vorhin. Eine Frau, die ihr einen Zettel mit dem Aufdruck eines Lieds in die Hand drückte und von einem Verein sprach, der sich um Schlaflose kümmert. Sie träfen sich einmal in der Woche, am Sonntagmorgen meistens. Singtherapie nenne sich die Methode, die sie praktizierten. So was wie die Anbetung des großen Schlafs. Margot sucht den Zettel in ihrer großen roten Tasche, in der sie wieder einmal lange erfolglos herumkramt. Dabei kann sie kaum noch an sich halten beim Gedanken an das Lied. Endlich findet sie das Zettelchen, faltet es auseinander und hält es Rottmann hin.
    Lesen Sie mal.
    Rottmann wirft einen kurzen Blick darauf, aber er kann ohne Brille nicht lesen. Ob sie es ihm nicht vorsingen wolle?
    Natürlich, nicht umsonst hat mein Vater mich zu den Pietisten geschickt, sagt sie angeheitert.
    Zuvor müsse sie aber einen Schluck Wein haben, erst dann könne sie singen.
    Dabei schiebt sie die Unterlippe vor und spielt die Bedürftige, bis Rottmann sich mit einem ›Na dann‹ über die Wendeltreppe nach unten schafft, um hinter dem Rücken des Kellners eine volle Flasche des ›Les enfants du paradis‹ zu ergreifen und hinauf zu Margot zu befördern. Er stellt sie auf den Boden wie eine Trophäe.
    Jetzt sind Sie an der Reihe, Madame.
    Sie nimmt einen Schluck und versucht, nach der Melodie von ›Die güldne Sonn leucht jetzt herfür‹ ihre heisere Stimme zum Singen zu bringen.
    O lieber Schlaf wir loben dich
oh schließe unsre Lider
oh süßer Schlaf erhöre uns
leg dich auf unsre Glieder
    Und so weiter, und so weiter … Ich kann nicht mehr.
    Margot muss schon wieder so lachen, dass sie sich verschluckt.
    Rottmann klopft ihr auf den Rücken. Schlafblasphemie, köstlich. So was gibt’s also auch. Wie sieht sie denn aus, die Gläubige?
    Es seien anscheinend zwei oder drei von ihnen hier, sie hätten draußen auf der Terrasse im Chor gesungen. Alles Frauen, ganz normal aussehend, ziemlich jung übrigens. Eine von ihnen trage ein auffallend rotes Kleid, das falle ihr jetzt ein.
    Rottmann klopft sich auf die Schenkel, herrlich, die muss ich sehen!
    Inzwischen hat sich wieder jemand an den Flügel gesetzt und angefangen zu spielen. Diesmal einen langsamen Tango in der Art von Carlos Gardel, der sich so sehnend dahindehnt, dass die beiden auf der Empore den Blick voneinander abwenden, weil sie ein plötzlich aufflammendes Begehren überkommt. Sie sind ganz verwirrt davon. Wie gut, dass die Flasche da steht. Margot ergreift sie und füllt von neuem die Gläser, aus reiner Verlegenheit.
    Wieder prosten sie einander zu, diesmal wortlos, beinahe verdruckst, während sich unten ein paar Leute zu Paaren zusammenfinden und

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