Die Schlaflosen
den Rezeptionstisch und wehrt sich nicht, als die herbeigeeilte Miriam ihn beim Arm nimmt und in das für Gäste bestimmte Zimmer hinter dem Empfang führt. Die beiden anderen Empörlinge, so nennt sie Mulik bei sich, rechten weiter um ihre Ãbernachtungskosten. Bülow aber lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Am Ende scheint er ihnen einen Kompromiss anzubieten, den Mulik akustisch nicht verstehen kann. Sie nicken und sehen aus, als hätten sie sich geeinigt, nur um gleich weiterzustreiten.
Mulik ist froh, mit alledem nichts zu tun zu haben. Er will an diesem Abend seine Ruhe. Seine ihm zustehende Ruhe von allem, was mit Recht, Paragraphen und Kollegen zu tun hat. Ja, er stellt fest, dass er die Szene geradezu ausgekostet hat, er lacht in sich hinein. Könnte jemand sein Gesicht sehen, würde er mitlachen. Die Augen, der Mund, die Wangen Muliks, alles lacht.
Der Streit wäre vermutlich noch weitergegangen, hätte in diesem Moment nicht ein lauter Paukenschlag vom Nebenzimmer und ein im Chor hervorgebrachtes Aaaah die im Entree Weilenden in Neugier versetzt. So streben nun alle dem blauen Salon zu, von wo der kollektive Ausruf gekommen ist. Mulik kann zuerst nichts erkennen und schiebt sich zwischen den Sesseln hindurch bis hinten zur Terrassentür.
Es scheint etwas geboten zu werden, eine Vorführung auf dem Flügel. Ein Zauberer sitzt da im Schneidersitz. Er trägt ein schwarzes Käppchen und hantiert mit Spielkarten. Neben ihm steht die junge Kollegin, die aussieht wie ein Punk. Der Zauberer hat sie als seine Assistentin auserwählt, und diese Rolle passt sehr gut zu ihr. Sie betätigt einen CD-Player, aus dem ein anfangs leiser und dann sich steigernder Trommelwirbel ertönt.
Eine weitere Person aus dem Publikum wird nach vorn gebeten, diesmal ist es Miriam, die kleine Chefin, wie Mulik sie bei sich nennt. Ihr wird der Stapel mit der Aufforderung übergeben, ihn gut zu mischen.
Miriam tut, wie ihr geheiÃen, um dann dem Publikum strahlend den geschickt auseinandergezogenen Kartenfächer hochzuhalten.
Bitte treffen Sie Ihre Wahl!
Der Zauberer neigt ehrerbietig den Kopf. Miriam beherrscht ihre Rolle so gut, als sei sie schon lange auf den Zauberer eingespielt. Mit spitzen Fingern greift sie hin, zieht sich zurück, überlegt, beugt sich vor, nähert sich wieder den Karten und blickt mit hochgezogenen Brauen zu den Gästen hin, während der Trommelwirbel aus dem kleinen CD-Player für dramatische Begleitung sorgt.
Und jetzt, da sie nach einer Karte mitten aus dem Fächer greift, nicht nach der, auf die der Zauberer mit überdeutlichem Brauenspiel und seinem Zeigefinger hinweist, sondern nach einer anderen, nimmt der Trommelwirbel zu, spielt mächtig auf, und sie hält das Pik As in die Runde, während der Zauberer so tut, als überlege er angestrengt und warte auf Inspiration von oben. Er führt ein so vergnügliches Schauspiel auf, dass alle davon gefesselt sind. Vor allem von seinen langen, eleganten Fingern, mit denen er die aberwitzigsten Bewegungen vollbringt. Am Ende öffnet er den Mund und tut, als würde er etwas sagen, aber man hört ihn nicht.
Nein, fordert ihn Miriam mit Strenge auf, er solle es laut sagen. Und schlieÃlich kommt er heraus mit der Stimme â Pik As! Die Zuschauer applaudieren, der Zauberer springt vom Flügel, verbeugt sich und alle werden beklatscht.
Bülow hat sich während der ganzen Szene etwas abseits gehalten. Er lehnt am Kamin und beobachtet die Sache im Spiegel. Er kann sich kaum noch beherrschen, aber er will sich auch nicht lächerlich machen.
Denn ist nicht ein eifersüchtiger Ehemann die lächerlichste Figur, die man sich denken kann?
Was er wahrnimmt, ist nicht nur, dass Miriam die Assistentin spielt, sondern dass sie dem Zauberer Blicke zuwirft, wie man sie sich vieldeutiger nicht vorstellen kann. Richtig verheiÃungsvolle Blicke. Und wie der Zauberer sich ihr nähert und ihr über die Schulter haucht! Und wie sie kichernd vor und zurück hüpft und sich aufführt! Bülow kann geradezu körperlich spüren, was sich zwischen den beiden tut. Er merkt plötzlich, wie seine linke Hand sich um die rechte klammert und muss unwillkürlich daran denken, wie sie sich kennengelernt haben, damals im Krankenhaus, wo er ebenfalls seine Hand festgehalten hat. Die Eifersucht durchfährt ihn wie eine Art Stromschlag, ihm ist ganz schlecht davon. Am liebsten
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