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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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rief: »Ich muss jetzt gehen, Salome. Bis übermorgen um die gleiche Zeit.«
    Noch ehe Salome ihr etwas nachrufen konnte, war Berenike schon die halbe Treppe hinaufgerannt. Sie blieb sitzen, sah auf den See hinaus, wo es von weißen Segeln und schreienden Möwen nur so wimmelte, und seufzte resigniert. Was sollte sie in den nächsten Tagen bloß mit ihrer Zeit anfangen? Die duftenden Pinienwälder, die leuchtenden Blumen und grasbewachsenen Ufer hatte sie bereits zur Genüge erforscht, und Herodias hatte kaum Zeit für sie, vermutlich, weil sie Tag und Nacht mit Antipas »kurte«.
    Arme Haritha, dachte sie. Fern der Heimat, in einem fremden Land, ohne Freunde, ohne Kind, an diesem Hof, mit diesem Mann, der sie auch noch betrog. Was Herodias nur an ihm fand? Und ob Haritha von der Beziehung wusste?
    Während sie noch immer auf der Ufermauer saß und ihr all das durch den Kopf ging, spürte sie plötzlich einen feinen Luftzug hinter sich. Sie wandte sich halb um und blickte auf einen duftigen, türkisfarbenen Schleier.
     
    Salome saß in der Mitte eines zwanzig Schritte im Quadrat großen Raumes, der vollkommen leer war. Die Wände nach Osten und Süden waren von etlichen Fenstern durchbrochen, an denen sich kalkweiße Vorhänge im Wind blähten, die Sonnenstrahlen einfingen, filterten und gleichmäßig über den Raum verteilten. Der Saal war in ein helles milchiges Licht getaucht, das von dem gleichfarbigen, glatten Marmor noch verstärkt wurde. In der Luft hing der Duft von Orangen. Alles wirkte rein und frisch und trotz der Leere nicht im Geringsten abweisend. Sie fühlte sich hier wohl, obgleich ihr alles rätselhaft vorkam.
    Haritha hatte sie unten am Ufer in ihre Gemächer eingeladen, und sie hatte sofort angenommen. Zum einen war das die erste Einladung eines Familienmitglieds, die Salome erhielt, denn die meisten schürzten noch immer die Lippen und sahen in eine andere Richtung, wenn sie ihr begegneten. Zum anderen schien Haritha nach allem, was Berenike erzählt hatte, die ungewöhnlichste und deshalb interessanteste Frau am Hof von Tiberias zu sein. Auf dem Weg hierher bemühte Salome sich um eine höfliche Konversation, Haritha dagegen blieb, bis sie in ihren Gemächern waren, wortkarg. Der Dienerin, die sie empfing, gab Haritha einige schnelle Anweisungen in der Sprache ihres Heimatlandes, dann verstummte sie und führte ihren Gast durch die weitläufigen Gemächer. Salome folgte ihr von einem Raum in den anderen, doch immer fand sie an der gegenüberliegenden Wand noch eine Tür und noch eine … Sie staunte über die kräftigen Farben, die überall vorherrschten. Die Bänke und Liegen leuchteten in dunklem Purpur, und die Böden waren über und über mit flauschigen bunten Teppichen ausgelegt, die sich zum Teil überlappten. Jeder Raum wirkte gemütlich, doch ausgerechnet in diesem leeren Saal, dem letzten Raum, bot Haritha ihr einen Platz auf einem der großen runden Kissen an. Dann verschwand sie wortlos und ließ sie allein zurück. Aber Salome langweilte sich kein bisschen, sie nutzte die Zeit, um die vielen Eindrücke von Haritha und den exotischen Räumen zu verarbeiten.
    Die Dienerin kam herein und stellte wortlos zwei Kelche mit einem heißen, dampfenden Getränk vor ihr ab.
    »Was ist das?«, fragte Salome und betrachtete die Dienerin neugierig. Sie hatte die gleiche dunkle Hautfarbe wie Haritha und verstand offenbar kein Aramäisch, die wichtigste Sprache in Judäa. Im Alltag wurde fast nur sie gesprochen, denn Hebräisch galt als die Sprache der thora und damit Gottes. Sie sollte nicht mit niedrigen Handlungen in Verbindung gebracht werden und wurde darum vornehmlich bei religiösen Zeremonien und Gemeindeversammlungen in den Synagogen benutzt. Ohne große Hoffnung versuchte Salome nun auch, auf Hebräisch mit der Dienerin zu sprechen und anschließend auf Lateinisch und sogar auf Griechisch, das sie von Timon gelernt und weiter geübt hatte, aber die Dienerin lächelte sie nur entschuldigend an. Dann verbeugte sie sich, indem sie ihre Hände auf die Knie legte, und verschwand wieder.
    Das Getränk, offenbar ein Tee, duftete sowohl würzig wie süß. Einzelne Aromen kamen Salome vertraut vor, wie der Duft von Nelken, Zimt und Honig, doch vieles in der Mischung war ihr unbekannt. An der etwas dunkleren Farbe der Flüssigkeit in dem anderen Kelch erkannte sie, dass Haritha offenbar eine andere Variante bevorzugte; als sie daran roch, konnte sie keinen Unterschied feststellen.
    Sie hatte den

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