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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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letzten Jahren sogar weitere Zeichnungen dazugekommen. Das Pergament hatte er sich bei den Soldaten zusammengebettelt, die die Bücher über Neuankömmlinge und »Abgänger«, die Toten, führten. Meist arbeiteten sie schlampig. Alte Papiere verloren für sie ihren Nutzen, und ein paar Mal war es ihm gelungen, ihnen einige Bögen abzuschwatzen. Als Stifte dienten Timon feine Steinsplitter. Was er damit zustande brachte, war unter ästhetischen Gesichtspunkten eine Katastrophe, aber es lenkte ihn ab und führte ihn für eine Weile in eine Welt, die ihm sonst verloren gegangen wäre.
    »Nun geh endlich«, drängte Onex, und Timon befestigte die Rolle wieder an seinem Schurz und kletterte voraus. Die Kerben waren selbst für den ungelenken Onex leicht zu besteigen, trotzdem mussten sie im Dunkeln vorsichtig sein, denn leicht konnte man einen Schatten oder einen getrockneten Klumpen Erde für einen sicheren Halt erachten und abstürzen. Onex atmete schwer, und einige Male glaubte Timon, sein Partner schaffe es nicht. Manchmal fasste Onex Timons Fußknöchel, weil er nicht mehr weiter wusste, doch Timon konnte ihm immer sagen, wo die nächste Kerbe zu finden war, und so kam es zu keiner einzigen bedrohlichen Situation.
    Als Timon ihm nun die Hand entgegenstreckte und ihn den letzten Schritt nach oben hievte, wusste er, dass es geschafft war.
    Er ließ sich zurückfallen. »Frei«, flüsterte er, »endlich frei.«
    »Wir haben keine Zeit zu verlieren«, keuchte Onex, und da kam auch schon die Wache, mit der er im Bunde war. »Wo ist der Schlüssel?«, fragte Onex ihn. »Mach uns frei.«
    »Erst die Bezahlung«, antwortete die Wache.
    Timon konnte in der Finsternis das Gesicht des Mannes nicht sehen. Die Stimme klang rau und nicht mehr jung. »Ich warte dann hier«, sagte Timon und bemitleidete Onex für die Aufgabe, die dieser nun zu erledigen hatte.
    Onex räusperte sich. »Tja, weißt du, der gute Rufius hier interessiert sich nicht mehr für mich.«
    Timon suchte in der Dunkelheit Onex’ Augen. »Sondern? Was will er?«
    »Als ich ihm sagte, dass du mein Partner bei der Flucht bist …«
    »Was schwafelt ihr hier rum?«, ging Rufius, die römische Wache, dazwischen. »Onex, du hast mir gesagt, dass der Grieche einverstanden ist.«
    Timon sprang auf. » Ich soll …«
    »Du hast gesagt, dass du für deine Freiheit alles tun würdest.«
    »Das hast du gesagt«, entgegnete Timon.
    »Und du hast stillschweigend zugestimmt. Nun mach schon. Es geht schnell.«
    Timon hielt vor Fassungslosigkeit die Luft an. Er erstarrte und blickte abwechselnd auf die Schemen von Onex und der Wache.
    »Ich … ich kann nicht«, sagte Timon.
    »Tu es«, drängte Onex ärgerlich und schubste Timon in die Arme des Römers.
    Timon sah Rufius nun direkt in die hungrigen Augen. Die Hände des Römers maßen seine Schultern, dann seinen Rücken, die Hüften und schließlich … Timon schloss die Augen. Er spürte den Atem auf seinem Gesicht, hörte das angestrengte Keuchen, zuckte zusammen, als er die Lippen des Römers auf seinen fühlte.
    Er machte sich aus der Umklammerung des Römers frei und trat einen Schritt zurück. »Ich kann nicht«, wiederholte er, diesmal entschlossen.
    »Bei allen Göttern«, fluchte Rufius. »Glaubt nicht, dass ihr mir so durchkommt.«
    Er holte tief Luft und wollte eben einen Alarm in die Nacht schreien, als Onex sich auf ihn stürzte und ihn zu Boden riss. Der Römer versuchte vergeblich, sein Kurzschwert zu greifen oder den Speer, den er zuvor beiseite gelegt hatte. Onex versetzte ihm einen Faustschlag, der ihn benommen machte, griff nach dem Schlüsselbund und schloss die Kette auf, die seine Füße fesselte. Dann warf er ohne ein weiteres Wort Timon den Bund zu und lief davon.
    Timon, der zuerst von der plötzlich veränderten Situation überrascht war, griff den Bund und versuchte, den richtigen Schlüssel zu finden, um ebenfalls seine Kette zu lösen. Er hatte Glück. Eine Wolkenlücke gab in diesem Moment den Mond frei und erleichterte ihm die Arbeit. In breiten Bahnen fiel das silbrige Licht zur Erde und erhellte den Steinbruch.
    Timon blickte kurz auf. Der Römer hatte sich bereits wieder aufgerappelt, griff nach dem Speer und warf ihn dem flüchtenden Onex hinterher. Ein entsetzlicher Aufschrei – und Onex fiel mit dem Gesicht nach unten zu Boden.
    Timon hatte zwischenzeitlich den richtigen Schlüssel gefunden. Über seine Fußfessel gebeugt, löste er ihr schweres Eisen von seinen Knöcheln. Doch in diesem

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