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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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kindliche Schüchternheit gab es keinen Platz und keine Zeit.
    »Trotzdem, du bist eine Fürstin.«
    »Das bedeutet nichts. Wir haben ein Recht auf unsere Liebe.«
    »Ist dein Mann der gleichen Meinung?«
    »Bitte, Timon, lass uns die Dinge nicht schwieriger machen, als sie sind.
    »Sie sind schwierig.«
    »Wir sehen uns zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, und du willst unbedingt streiten. Was stimmt denn nicht?«
    »Was nicht stimmt?«, wiederholte er aufgeregt und entzog sich ihrer Berührung. »Alles stimmt nicht. Du solltest mich nicht lieben, und ich sollte nicht hier sein. Wir sollten nicht miteinander sprechen. Und du hättest nicht heiraten sollen.«
    Nun ging ihr ein Licht auf. »Ach, das ist es, was dir zu schaffen macht. Timon, ich musste damals heiraten, um Ashdod vor dem Zugriff …«
    »Verdammt«, fiel er ihr ins Wort. »Verdammt, Salome, ich saß quasi schon auf dem Pferd, das mich zu dir bringen sollte, als ich von deiner Hochzeit erfuhr. Hättest du nicht warten können? Nur einen Monat?«
    »Ich wusste nicht, dass du noch lebst.«
    »Und ob du es wusstest. Wieso sonst hättest du mich jetzt rufen lassen?«
    Langsam wurde sie ärgerlich. »Ich habe erst kürzlich und auf Umwegen erfahren, dass du lebst und Architekt geworden bist. Damals wusste ich es nicht.«
    »Du hättest dich ein wenig anstrengen können, um es herauszufinden. Oder lag dir nichts mehr an mir?«
    Ihr Mund stand vor Überraschung weit offen. Am meisten ärgerte sie, dass sie die Aufrichtigkeit ihrer Liebe beweisen sollte, wo doch er es gewesen war, der sie damals belogen und benutzt hatte. »Ob mir …? Also, das ist ja wohl das Dümmste, was ich je gehört habe. Was glaubst du wohl, was ich alles unternommen habe, um dich zu finden? Was glaubst du wohl, warum diese Stadt gebaut wird?«
    »Heißt das, Philippi entsteht, weil du mich in deiner Nähe haben willst?«
    »Ja«, rief sie.
    »Das ist doch Wahnsinn.«
    Das Gespräch, das von ihr als Wiedersehensfest und Auftakt der neuen Liebe gedacht gewesen war, entglitt ihr völlig. Beide sagten sie Dinge, die sie nicht so meinten. »Oh, Verzeihung, ich vergaß, dass ich es mit dem ehrlichsten und tugendhaftesten Mann unter der Sonne zu tun habe. Du würdest ja niemals irgendjemanden ausnutzen, um an ein Ziel zu kommen, nicht wahr?«
    »Ich konnte dir vor zehn Jahren meine Pläne nicht enthüllen.«
    »So, und warum nicht?«
    »Weil du mich sonst vielleicht verraten hättest.«
    »Siehst du, das ist der Unterschied zwischen uns. Ich bin wenigstens ehrlich zu dir, ich habe Vertrauen und gehe Risiken ein. Immerhin setze ich mich einer großen Gefahr aus, wenn ich mich mit einem Mann in einem Hain treffe. In Judäa sieht man so etwas gar nicht gern.«
    »Ich habe dich nicht gebeten, mir nachzuschleichen wie eine rollige Katze.«
    Sie versetzte Timon eine laut schallende Ohrfeige, die sogar die Vögel aus den Bäumen scheuchte. Ihre Hand brannte von dem Schlag, und Timons gesamte linke Gesichtshälfte leuchtete im Nu feuerrot. Auf der Stelle tat ihr Leid, was sie getan hatte – und doch auch wieder nicht. So durfte niemand mit ihr sprechen, nicht einmal Timon.
    Er sah sie zunächst überrascht an, senkte dann beschämt den Blick, aber schließlich ging er ohne ein weiteres Wort davon und war bald nur noch ein Punkt auf den Heuweiden.
    Ihr Ärger verrauchte binnen eines Atemzuges. Von Traurigkeit überwältigt lehnte sie sich an einen runzeligen, warmen Olivenbaumstamm und starrte in sein Blattwerk. Zwischen dem Laub hingen hunderte grüner Oliven, und Salome nahm, in Gedanken versunken, eine nach der anderen der harten Früchte, riss sie ab und knetete sie in den Händen.
    Heute Abend würde sie Timon noch einmal auf dem Festmahl sehen, doch es gab keinen schlechteren Ort, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, ungestört mit ihm zu sprechen. Morgen reiste er schon zur Quelle des Jordan, und sie wusste noch immer nicht, woran sie war. All die Hoffnungen, die sie seit Wochen an das Wiedersehen geknüpft hatte, bröckelten wie eine schlecht gepflegte Fassade.
    Weil sie in ihrer Wut irgendetwas packen wollte, zerrte sie an einem der unförmigen Äste des Olivenbaums und hieb auf das genarbte Holz ein, immer wieder, auch noch als ihre Hände schmerzten und der dünne Stoff ihres Gewandes an den Ärmeln aufriss.
    Doch plötzlich hielt sie inne und grinste. Wer sagte denn, dass sie mit Timon reden musste, um seine wahren Gefühle aus ihm herauszulocken?
     
    Für Herodias und ihren Gemahl

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