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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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klug, in diesem Aufzug zu Timon zu gehen?«, fragte Philipp.
    In diesem Moment bemerkte Salome ein Gefühl in sich, das sie schon seit Jahren nicht mehr gespürt hatte, seit dem offenen Gespräch mit Philipp in der Synagoge des Palastes von Bethsaida, als sie ihm ihre Liebe zu Timon gestanden hatte. Damals endeten Ärger und Wut, die sie oftmals grundlos für Philipp gehegt hatte. Ihr Verhältnis zueinander entspannte sich, und sie lebten wie gute Bekannte beisammen.
    Heute kehrte die Wut zurück – und wieder war sie scheinbar grundlos. Philipp kümmerte sich um Timon wie um einen Freund, zu ihr war er gutmütig und verständnisvoll, und trotzdem hätte sie ihm am liebsten die Schuld für alles gegeben, was in ihrem Leben nicht gut lief, und ihn in Grund und Boden geohrfeigt. Sie liebte nur Timon, und da passte Philipp einfach nicht dazu. Nie zuvor war ihr dies deutlicher als in diesem Augenblick, nie war ihre Wut größer gewesen, nie hatte sie stärker den Drang verspürt, Philipp zu verletzen.
    Sie fuhr herum. »Nur weil du es ein einziges Mal in acht Ehejahren geschafft hast, mich zu küssen, bin ich noch lange nicht dein Weib, das du herumkommandieren kannst. Ich gehe in dem Aufzug, den ich für richtig halte. Und du kümmerst dich besser um Antipas und Pilatus, denn während wir hier über die Schicklichkeit meines Umhangs diskutieren, wird dein Bruder versuchen, sich den Königstitel zu schnappen.«
    Sie wartete Philipps Reaktion nicht ab, sondern eilte aus dem Gemach und schloss die Tür hinter sich. Der Gang vor ihr schimmerte golden im Licht der Fackeln. Der Boden war mit ornamentierten Kacheln versehen und kühl, wie Salome schnell merkte. Sie war barfuß, aber glücklicherweise musste sie nicht lange gehen. Wie Philipp gesagt hatte, war Timons Krankenlager nur zwei Türen weit entfernt. Ein Soldat aus dem Gefolge bewachte die Tür, und wieder wurde ihr die Fürsorge ihres Mannes bewusst. Sie hätte beschämt sein sollen, doch sie konnte jetzt an niemand anderen mehr denken als an Timon.
    Er lag schlafend auf dem Bett, eingehüllt in eine weiche Decke und in die Dunkelheit des Raumes. Salome ließ sich von der Wache eine Fackel reichen und befestigte sie in einem Wandhalter. Dann schloss sie die Tür und trat dicht an Timon heran.
    Es war ein friedliches Bild. Seine Wunden waren ausgewaschen worden und nunmehr nichts weiter als schmale rote Linien auf der Haut seiner Arme, Schultern und Rippen. Keine von ihnen sah bedrohlich aus, und auch der Stich in seine Hüfte, der ihn am schwersten verletzt und schließlich zu Fall gebracht hatte, blutete nicht mehr. Es war wie ein Wunder, dass ihr Geliebter, der noch vor einer Stunde dem Tode so nahe schien, weiterleben würde, als sei nie etwas geschehen. Sie streichelte Timons Wange und seufzte erleichtert.
    Gleich darauf verdunkelte sich ihr Blick. Nichts geschehen? Doch! Jemand hatte versucht, ihr das zu nehmen, was ihr am meisten auf der Welt bedeutete, hatte versucht, ihr Glück zu ermorden, ihre Liebe die steile Felswand hinunter auf die weißen und roten Ufersteine des Salzmeeres zu stürzen. Dieser Jemand hatte bereits den dritten Versuch unternommen und würde weitere drei, dreißig oder dreihundert Versuche unternehmen, um sein Ziel zu erreichen. Dieser Jemand war Antipas.
    Was für eine Ironie, dachte Salome und grinste bitter in das Halbdunkel des Raumes hinein. Herodes hatte sie in der ersten Minute ihres Lebens töten wollen, sein Sohn trachtete nun, mehr als drei Jahrzehnte später, danach, sie ins Unglück zu stürzen. Unleugbar war der heutige Tag der dramatische Höhepunkt seiner Bemühungen, ihr alles zu nehmen, was sie besaß, doch im Grunde hatte er damit schon vor langer Zeit angefangen. Seine Begierden hatten unmittelbar oder indirekt sowohl ihre Freundin Haritha wie auch Theudion, ihren Vater, das Leben gekostet, und auch ihre Mutter hatte sie an ihn verloren. Er hatte aus großen Teilen des Landes, das ihre Heimat war, einen Ort der Angst und Unterdrückung gemacht, und er war dabei, seine Macht auch über den Rest Judäas auszudehnen. Ja, selbst im Tod brächte er noch Verderben über ihre Heimat, denn Kephallion würde noch unbarmherziger als er herrschen.
    Antipas musste ein für alle Mal unschädlich gemacht werden. Wer konnte wissen, wann er den nächsten Anschlag auf Timons Leben verüben würde? Noch heute Nacht womöglich? Er könnte Meuchelmörder durch das Fenster einsteigen lassen, Wachen bestechen, ja, vielleicht war sogar die

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