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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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dieses Spiel, er lachte wie ein kleines Kind, dem man ein Spielzeug vor Augen hielt und wieder wegnahm. Unter dem roten Schleier leuchtete bereits der goldene, doch noch war nichts von Salomes Haut zu sehen. Außer den Augen und den Füßen blieb ihr Körper verborgen, und so huschte Antipas’ Blick von ihrem Gesicht bis zu den Zehen und versuchte, ihren Drehungen zu folgen.
    Endlich fiel der rote Schleier. Jemand rief: »Eins.« Der Ruf breitete sich aus wie ein Feuer. »Eins«, riefen immer mehr Gäste, bis auch Antipas darin einstimmte. Seine Augen leuchteten, als er sah, wie Salomes geschmeidiges schwarzes Haar sich über ihre Schultern ergoss.
    Der zweite Schleier war eine Sonne. Sein Gold spiegelte das Licht wider und warf kleine Punkte auf den Boden, die mit jeder von Salomes Bewegungen tanzten. Sie hüpfte leichtfüßig eine der Treppen hinauf und rannte, strahlend wie eine lebendige Fackel, vorbei an Soldaten die Festungsmauer entlang, bis sie so fern schien wie einer der Sterne am Firmament. Antipas wollte ihr folgen und wuchtete seinen Körper schweratmig die Treppe hinauf, doch da hüpfte sie eine andere Treppe hinunter und eilte wieder in den Kreis der staunenden Männer. Sie drehte einige Pirouetten vor ihrer Mutter, bevor sie mit einem kräftigen Ruck den Schleier von sich riss und in den Wind warf.
    »Zwei«, riefen die Leute im Chor, und Antipas stapfte wieder die Treppe hinunter. »Zwei«, lachte auch er.
    Die Tamburine schwiegen, und lyra und Flöten schickten wehmütige, wogende Klänge in die Nacht. Der dritte Schleier, türkis wie die Wellen des Sees Genezareth, ließ Salomes schlanke Arme frei. Sie bewegte sie, als würden sie von einem Sturm gebogen, der langsam nachließ und schließlich in vollendete Windstille überging. Sacht glitt der Stoff, wie von Zauberhand gelöst, an ihr herab, und sie stand in blendendem Weiß da.
    »Drei«, jubelten die Leute, nur Rabban Jehudah verzerrte, angeekelt von so viel gottloser Gewöhnlichkeit, das Gesicht.
    Nur die lyra spielte noch. Salomes Schritte wurden klein, zaghaft, verträumt wie die eines Mädchens, das durch eine schulterhohe blühende Wiese läuft. Schon waren unter dem seidigen Stoff die schlanken Unterschenkel zu erkennen, und als Salome eine Brücke machte, zeichneten sich die Konturen ihrer Brüste durch den gespannten Stoff deutlich ab. Antipas blinzelte, der Atem ging ihm noch schwerer als sonst, und er musste sich schließlich auf einen Schemel setzen, der ihm gebracht worden war. Langsam richtete Salome sich wieder auf und ließ den weißen Schleier fallen.
    »Vier«, riefen alle, nunmehr schon geübt.
    Die Flöten begleiteten erneut die lyra , aber die Musik hatte die wollüstige Sehnsucht der roten und goldenen Schleier und die Poesie der türkisfarbenen und weißen eingebüßt. Ein seltsam dunkler Unterton mischte sich in die Melodie, die ein dramatisches Geschehen anzukündigen schien. Tiefes Violett umhüllte Salome wie ein Geheimnis. Ihre Schritte wurden unruhig, fast ängstlich, ihr Tanz drückte eine Flucht aus, eine Flucht, die nicht gelang, weil eine Mauer erstarrter Menschenleiber sie umgab. Sie wand sich an den Männern entlang. Ihre Hüften streiften eine Ahnung lang deren Körper. Sie verstörte sie, betörte sie, ließ ihre Herzen wie Trommeln schlagen. Einem Windhauch gleich berührte sie diese Sklaven ihrer Begierden und verströmte dabei den schweren Duft, der ihren Körper benetzte. Als sie bei Antipas angekommen war, warf sie ihm das violette Tuch in den Schoß.
    »Fünf«, grölten die Männer und störten sich nicht daran, dass Philipp, Salomes Gemahl, eben in den Hof gekommen war. Die Männer in der ersten Reihe setzten sich auf den Boden, einige spülten rasch einen Mund voll Wein die trockenen Kehlen hinunter, andere warfen ihre Kelche achtlos fort, irgendwo in den Hof oder im hohen Bogen über die Zinnen der Festungsmauer. Keiner achtete mehr auf das, was der andere tat, jeder hatte nur Blicke für die Frau, die einen unglaublichen und scheinbar endlosen Tanz aufführte.
    Salome trug nun das Kleid der Nacht. Dunkles Blau schmiegte sich eng um ihren Körper und ließ mehr frei, als es bedeckte. Schultern, Achseln, Arme, Knie schimmerten ölig im Schein der lodernden Fackeln, und sie wirbelte zum Takt der Tamburine über den noch warmen Boden Masadas. Wie zu Beginn, spielte die Musik schnell und ekstatisch, aber das Drohende, Unheilvolle lebte in ihr weiter. Salome sprang, schlug ein Rad, ihr langes Haar

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