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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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»Denkst du, ich würde dir vorwerfen, dass du nackt warst? Gut, es hätte vielleicht nicht sein müssen.« Er atmete tief durch und sah sie ernst an. »Aber warum hast du den Kopf dieses Täufers gefordert?«
    »Oh«, sagte sie gedehnt, »das.«
    »Ja, das !«, drängte er ärgerlich. »Wie kannst du nur so beiläufig darüber reden?«
    »Die meisten Juden sind Pharisäer oder Zeloten, sie haben nicht viel für den Täufer übrig gehabt. Die werfen mir die Sache mit dem Täufer noch am wenigsten vor.«
    »Es geht hier nicht darum, wie dein Volk über diese – wie du es nennst – Sache denkt, die in meinen Augen nichts anderes als Mord war. Es geht darum, wie ich darüber denke.«
    Sie kämpfte gegen die Tränen an, die in ihr hochstiegen. »Es war nicht geplant«, entschuldigte sie sich mit zitternden Lippen. »Antipas wollte seinen Schwur nicht halten, er hatte weiterhin vor, dich umbringen zu lassen. Da kam mir diese Idee mit Johannes. Ich hätte doch nie geglaubt, dass er … Ich wollte doch nicht …«
    »Du willst mir ernsthaft weismachen, dass du den Tod des Täufers nicht in Kauf genommen hast?«
    »Ich habe überhaupt nicht nachgedacht«, rief sie.
    »Du hast den Täufer gehasst. Darum hast du es getan.«
    »Ich habe seine Ansichten gehasst, nicht ihn.«
    »Du hast seine Ansichten und ihn gehasst. Damals, als er uns am Jordan überraschte und uns mit seinen Flüchen traktierte, hast du wörtlich gesagt, dass niemand ungestraft deine ungeborenen Kinder verfluchen dürfe.«
    »Selbst wenn«, parierte sie. »Du hast ihn damals zu Boden gestoßen. Hättest du ihn deshalb gleich umgebracht?«
    »Nicht um mich geht es hier. Nicht ich habe seinen Kopf gefordert, sondern du.«
    »Das mit dem Kopf war grausam und ekelhaft, so etwas hätte ich nie verlangt.«
    »Wie edelmütig von dir«, rief er sarkastisch. »Du wolltest nur, dass er umgebracht wird, aber wie er stirbt, war dir egal. Ich bin sicher, dass Johannes dir für diese wahrhaft aufrechte Tat die Hand schütteln würde – wenn er noch könnte.«
    »Oh, wie gemein du sein kannst. Ich sagte doch schon, dass ich nicht nachgedacht habe. Ich habe es für dich getan, Timon, für uns. Ich wollte dich nicht verlieren.«
    Timon schwieg. Ihr Streit war zu laut geworden. Er versuchte, sich zu beruhigen, atmete langsam durch und verscheuchte mit einem Blick ein paar Diener, die lange Ohren bekommen hatten.
    Schließlich sagte er leise: »Wenn du nicht nachgedacht hast, wie du sagst, woher willst du dann wissen, dass du es wirklich und ausschließlich für mich getan hast, und nicht auch, weil du gleichzeitig Rache an Johannes und Antipas nehmen wolltest?«
    Mit diesen Worten ließ er sie stehen.
     
    Salome nahm Timons Worte durchaus ernst. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, den Tod des Täufers nicht allzu sehr zu bedauern. Johannes hatte sie am Jordan beschimpft und verflucht, ja, sogar ihre noch ungeborenen Kinder verdammt. Er hatte das Volk gegen Philippi aufgewiegelt und die Rache des Himmels auf die neue Stadt herabbeschworen, die ihr und Timons Werk war. Nein, sie hatte keine Sympathie für diesen selbsternannten Richter über Gut und Schlecht, und wäre er eines natürlichen Todes gestorben, hätte sie sogar erleichtert aufgeatmet. Doch die Umstände seines Todes waren fürchterlich gewesen und unwürdig. Ein abgeschlagener Kopf, hochgehalten wie das Geweih eines erlegten Hirsches. Auch, wenn sie diese Art des Todes nicht befohlen hatte, so war sie doch verantwortlich dafür. Hatte Timon womöglich Recht, wenn er andeutete, sie habe die Ermordung des Täufers im tiefsten Inneren ersehnt? Sie, die seit Harithas Tod versuchte, die Todesstrafe abzuschaffen? Es gab Momente während der Reise, da hielt sie derartige Überlegungen für absurd, und es gab andere, da erschrak sie zutiefst über die Möglichkeit, dass sie vielleicht doch … Aber sie fand keine endgültige Antwort. Nach und nach spürte sie, dass sie mit dieser unheimlichen Frage würde leben müssen.
    Und Timon wohl auch. Er brachte während der Reise die Themen Tanz und Täufer nicht mehr zur Sprache, auch scheute er nicht das Zusammensein mit Salome, und als sie sich dem See Genezareth näherten und Salome die Schönheit der alten, sonnenbeschienenen Olivenhaine sah, war sie voller Hoffnung, dass alles wieder in Ordnung käme. Im Palast von Bethsaida kümmerte sie sich als Erstes um ein Quartier für Timon, dessen Wunden weitgehend verheilt waren, den die Reise über staubige Wege

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