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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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frevlerischer Tanz habe ihn umgestimmt, da eine Frau wie sie niemals Königin werden dürfe.
    Ein absurdes Gerücht. Abgesehen davon, dass die Römer sich gewiss am wenigsten über einen freizügigen Tanz aufregten – immerhin badete ihr eigener greiser Kaiser angeblich mit einer ganzen Schar junger Frauen zusammen, was niemanden kümmerte -, hatte Salome, wie sich jetzt herausstellte, mit ihrem Tanz und der Forderung nach Johannes’ Hinrichtung ganz unfreiwillig das Gegenteil von dem erreicht, was behauptet wurde. Die Nachrichten aus Galiläa, die in den Wochen nach ihrer Rückkehr eintrafen, berichteten von einer zunehmenden geistigen Verwirrung von Antipas. Er irrte schreiend in seinem Palast herum, verprügelte Diener, Minister und einmal sogar einen römischen Centurio, einen Boten des Prokurators, und er traf die unsinnigsten Entscheidungen, von denen die meisten gar nicht mehr umgesetzt wurden. War er ausnahmsweise einmal bei Verstand, konnte es passieren, dass er von einem Lidschlag zum anderen wieder rückfällig wurde, wild um sich schlug und ständig »Geh weg« rief. Der abgeschlagene Kopf Johannes des Täufers verfolgte Antipas, egal, ob er wachte oder schlief.
    Nach wochenlangen Überlegungen entschloss sich Pontius Pilatus, seine Entscheidung zu revidieren. Glücklicherweise war Kaiser Tiberius noch nicht informiert worden, daher war es ein Leichtes für ihn, Antipas wieder fallen zu lassen. Weitere Wochen vergingen, dann traf eine Botschaft des Prokurators ein. Es war später Abend, und die Diener, die Philipp suchten, fanden ihn weder in seinem Arbeitszimmer noch im Schlafgemach. Als der Bote nach Salome fragte, wollten die Diener sie zunächst nicht holen lassen und boten an, einen Minister herbeizuholen, was jedoch der Bote nicht akzeptierte. Schließlich blieb ihnen keine andere Wahl, und so händigte der römische Centurio Salome die Schriftrolle aus, die mit dem römischen Adler gesiegelt war.
    Edler Fürst, edle Fürstin, im Namen des Kaisers sende ich euch meinen Gruß. Es ist mir eine Freude und Ehre mitzuteilen, dass der erhabene Imperator Caesar Tiberius Augustus meinem Vorschlag zugestimmt hat, Philipp von Basan als König von Judäa einzusetzen. Die formale Anerkennung wird in Kürze folgen. Ich werde in drei Wochen zu euch nach Bethsaida reisen, um die Einzelheiten zu besprechen. Nehmt an dieser Stelle meinen Glückwunsch entgegen.
    Marcus Pontius Pilatus, im Namen des Imperator Caesar Tiberius Augustus.
    Das war die erste und einzige gute Nachricht seit Monaten, und Salome atmete auf. Die Sorgen, die sie mit sich herumtrug, halbierten sich damit schlagartig. Am meisten beruhigte sie, dass Antipas mittlerweile scheinbar völlig verrückt geworden war, was bedeutete, dass die Gefahr für Timon abnahm. Wer folgte noch Antipas’ Befehlen? Wer würde es wagen, einen Gefolgsmann des künftigen Königs zu behelligen? Und Philipp würde Antipas wenn nicht absetzen, so doch für regierungsunfähig erklären und ihm einen Regenten zur Seite stellen. Salomes Stiefvater war erledigt; er konnte weder ihr noch dem Land jemals wieder gefährlich werden, und mit ihm sank auch der Stern von Herodias, Kephallion und Jehudah. Sie würde Königin werden. Einst hatte das Horoskop ihr vorausgesagt, zu Großem bestimmt zu sein, nun also sollte es sich bewahrheiten.
    Ihr erster Impuls war, zu Timon zu gehen und ihm die gute Nachricht zu überbringen, doch sie sah ein, dass Philipp als Erster davon erfahren musste. Wie schon die Diener, traf sie ihren Gemahl weder beim Arbeiten noch beim Schlafen an. Auch die Synagoge des Palastes war dunkel und leer. Wen immer sie zu dieser Stunde noch in den Gängen traf, fragte sie nach Philipp, doch niemand wusste etwas. Sie holte den Hofmeister und den Schatzhüter aus dem Schlaf, erkundigte sich beim Zeugmeister, ob alle Pferde in den Stallungen waren, doch nirgendwo erhielt sie einen Hinweis. Im Trakt der Diener traf sie jedoch auf Nathan: Wenn jemand wusste, wo Philipp war, dann dieser naseweise sofer , der so tat, als gehöre ihm der Palast.
    »Ich weiß es tatsächlich«, gestand er. »Aber ich werde es dir nicht sagen, Fürstin.«
    »Wie bitte? Er ist mein Gemahl.«
    »So steht es zumindest geschrieben«, parierte Nathan.
    Sie hatte den Mann mit dem Wuschelkopf und den harten Zügen nie gemocht, doch da er Philipp gegenüber ausgesprochen loyal war und außerdem ihr Wiedersehen mit Timon ermöglicht hatte – wenn auch ahnungslos -, war sie ihm stets respektvoll

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