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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Erfolg.«
    Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um, doch Pilatus schickte ihr noch eine Frage hinterher.
    »W-was wirst du Tiberius über die hiesigen Verhältnisse berichten, wenn er fragt?«
    Sie lächelte den Prokurator mit allem Liebreiz an, der ihr zur Verfügung stand, nur ihre Augen redeten eine andere Sprache. »Die Wahrheit, edler Pilatus. Die reine und vollständige Wahrheit.«
     
    Noch am gleichen Nachmittag ging sie ein letztes Mal durch Jerusalem, die Stadt, in der sie nicht immer gelebt, die dennoch immer ein Teil von ihr gewesen war. Sie streifte durch die Gänge des Herodespalastes, vorbei an den verdorrten Granatapfelbäumen und ausgetrockneten Teichen, um die sich schon lange niemand mehr kümmerte, spazierte über den Hügel Golgatha, ging durch das Quertal in die Unterstadt, verließ Jerusalem durch das Wassertor im Südosten und stieg dort die Hänge des »Bergs des Ärgernisses« hinauf, der von Juden so genannt wurde, weil dort die Ungläubigen opfern und sich bestatten lassen durften – da er in Sichtweite des Tempels lag, war er für viele Juden ein Ärgernis.
    Salome ließ dort ein Grab für Timon errichten, in dem er vermutlich nie ruhen würde. Es konnte noch Monate dauern, bis das Verlies endlich freigelegt worden war, Zeit, nach der man den einen Leichnam nicht mehr vom anderen würde unterscheiden können. Alle Toten würden anonym auf dem Ölberg bestattet, aber Salome fühlte, dass sie einen Platz der Trauer brauchte, um sich verabschieden zu können.
    Sie sprach sehr lange an diesem Grab mit Timon, entschuldigte sich für Fehler und für vieles, was zwischen ihnen ungesagt geblieben war, erzählte ihm von dem Kind in ihrem Bauch und von ihrem Vorhaben, Judäa für immer zu verlassen. Als sie nach Stunden gehen musste, um die Reise anzutreten, brach ihr fast das Herz. Eine Stimme befahl ihr zu bleiben und nannte sie eine Verräterin; die andere jedoch war stärker, die ihr sagte, sie müsse ihrem und Timons Kind die bestmögliche Zukunft bauen. Und die konnte es in Judäa nicht bekommen.
    Am nächsten Morgen schrieb sie noch eine Botschaft an Kallisthenes, in der sie ihm alles berichtete und für seine Arbeit ebenso wie für seine Freundschaft dankte. Dann bestieg sie ihre Sänfte. Als sie durch das Damaskustor die heilige Stadt verließ, hallte von Ferne das Gebrüll der Volksmassen heran, die sich vor der Festung Antonia versammelt hatten, um von Pilatus entweder den Aufrührer oder den Prediger begnadigen zu lassen. »Barabbas, Barabbas«, schrien sie zum Himmel.
    Salome wandte sich, wenig überrascht von dem Urteil, endgültig ab.

SIEBTER TEIL
    Römisches Intermezzo

22
    Steil und abweisend ragte die Insel aus dem Tyrrhenischen Meer empor. Ihre Klippen trotzten der tosenden Brandung und dem Wind, und ihre Geheimnisse verbarg sie an diesem Tag hinter einem grauen Schleier aus feinster Gischt und Dunst. Tausende Seevögel nisteten in den zahllosen Falten der Hänge und kreisten, von Aufwinden getragen, gleichsam wie Wächter um sie herum. Über ihren Buckel eilten Wolken hinweg, so tief, dass man meinen konnte, es reiche, die Hand nach ihnen auszustrecken, und auf dem höchsten Punkt der Insel erhob sich eine weiße Villa wie die olympische Götterburg.
    So sah Salome die Insel Capri, als sie auf einem Boot, vom Festland kommend, sich ihr näherte. Hier lebte Tiberius, der allseits gefürchtete und gehasste, der verachtete und verabscheute Imperator.
    Salome hatte zwanzig anstrengende Tage hinter sich. Von Gaza aus war sie bis Alexandria gefahren, hatte drei Tage in der lärmenden Metropole zugebracht und dann das nächste Schiff nach Puteoli bestiegen, die Stadt unweit des Vesuv. Von dort reiste sie in einer gemieteten Sänfte bis Surrentum, vorbei an Herculaneum und Pompeji, wo sie schließlich das Boot bestieg, das sie nach Capri brachte. Tiberius hatte, als er vor sieben Jahren Capri zu seiner ständigen Residenz machte, die strikte Order erlassen, dass man sich nur aus Surrentum kommend, nur auf speziellen kaiserlichen Schiffen und nur nach Anmeldung beim Hafenkommandanten der Insel nähern durfte. Der Hafenkommandant schickte beim Auslaufen der Boote Lichtsignale nach Capri, und konnte dies wegen dichten Nebels nicht geschehen, durfte kein Boot Surrentum verlassen. So hatte der Kommandant auch heute gezögert, das Schiff mit Salome abfahren zu lassen. Er wartete, bis er von Capri das Signal zur Bestätigung erhielt, erst dann hatte Salome das Festland verlassen

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