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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Folter.«
    Er machte eine Pause. »Du hast Ehebruch begangen? Meine zweite Frau hat mich betrogen, und ich habe sie mit meiner ersten Frau betrogen. Meine Schwiegertochter hat meinen Sohn betrogen. Neun Zehntel der Senatoren gehen in die Freudenhäuser und betrügen ihre Frauen fast jede Woche. Was sie nicht wissen, ist, dass die Frauen die Dauer ihrer Abwesenheit nutzen, um ebenfalls zu betrügen. Jeder betrügt jeden, das ist in Rom so, und das ist auch in Judäa so. Vielleicht betrügen Juden nicht so häufig wie andere Völker, das weiß ich nicht, aber niemand kann allen Ernstes behaupten, dass es einen moralischen Unterschied macht, ob wir zehnmal betrügen oder nur fünfmal. Du bist also eine Betrügerin, Prinzessin Salome. Herzlich willkommen in der menschlichen Gesellschaft!«
    Salome wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Hatte der Kaiser sie verurteilt oder nicht?
    »Und was bedeutet das nun für mich?«
    »Das bedeutet«, erwiderte Tiberius, »dass ich dich gewiss nicht wegen eines Vergehens bestrafen werde, das niemandem geschadet hat. Nein, für Rom ist die Sache erledigt. Das Provinzgericht deiner Heimat wird informiert, du kannst also unbesorgt zurückkehren, irgendjemanden heiraten und ihn erneut betrügen.«
    Salome war erleichtert, und auch die zynische Art des Kaisers trübte ihre Freude nicht.
    »Ich habe vor, in Rom zu bleiben«, sagte sie.
    »Es war mir immer schon ein Rätsel, was Leute freiwillig nach Rom ziehen lässt. Diese Stadt ist eine Harpyie, ein Ungeheuer, ein …« Er seufzte: »Dennoch, es steht dir frei zu gehen, wohin du willst. Du wirst sicher bei Agrippa wohnen wollen.«
    Salome runzelte die Stirn. »Agrippa?«
    »Er ist einer deiner jüdischen Verwandten, der schon seit seiner Kindheit hier lebt.«
    Salome erinnerte sich schwach. Agrippa war der jüngste Bruder ihrer Mutter, geboren, als Herodias gerade mit ihr schwanger gewesen war. Schon im Alter von zwei Jahren war er vom Hof des Herodes nach Rom gebracht worden. Salome war ihm nie begegnet, und sie wusste fast nichts über ihn.
    »Ich möchte ihm nicht zur Last fallen.«
    »Dieses Wort kennt er überhaupt nicht«, berichtigte Tiberius. »Er hat gerade ein prächtiges Haus im siebten Bezirk gekauft, auf dem Quirinal, kurz nachdem ich ihn zum Nachfolger deines verstorbenen Mannes gemacht habe.«
    Salome schluckte. Sie hatte nicht erwartet, dass die Tetrarchie neu vergeben würde; sie konnte den Kaiser jedoch verstehen. Philipp tot, Antipas regierungsunfähig, Pilatus nach dem jüngsten Aufstand in seiner Autorität angeschlagen – die Römer mussten alles versuchen, um die Situation zu beruhigen, und da konnte ein neuer jüdischer Tetrarch nicht schaden. Dennoch war sie ein wenig betrübt, denn Agrippa bekäme mit Basan auch ein Teil von ihrem Leben, die Ideen, die Arbeit, die Mühen von vielen Jahren. Und er würde Philippi bekommen, das sie immer als ihre und Timons Stadt angesehen hatte.
    »Ist er der Richtige für diese Aufgabe?«, fragte sie.
    »Nein«, erwiderte Tiberius und setzte wieder sein dünnes, zynisches Lächeln auf. »Er ist so fehl am Platz wie Pontius Pilatus. Man findet keine geeigneten Männer mehr, nur noch Dilettanten, die aus Mangel an Kreativität auf Gewalt zurückgreifen, weil sie denken, das könnte mich beeindrucken. Korrupt sind sie außerdem noch, sie plündern die ihnen anvertrauten Provinzen aus. Augustus, mein überschätzter Vorgänger, hatte die Angewohnheit, seine Prokuratoren schon nach zwei Jahren auszuwechseln. Das war dumm, denn so werden Provinzen unentwegt ausgeplündert. Ich dagegen lasse Prokuratoren manchmal zehn und mehr Jahre in den Provinzen, und zwar nur aus einem einzigen Grund: Nach den ersten zwei Jahren haben sie sich dermaßen ausgiebig bereichert, dass sie satt sind und die restlichen acht Jahre wenigstens hin und wieder an die ihnen anvertrauten Menschen denken. Und was Agrippa angeht: Bei ihm weiß ich wenigstens, dass er nicht versuchen wird, sein neues Fürstentum zu regieren, sondern dass er brav in Rom bleibt. Die bloße Tatsache seiner Ernennung wird einige aufgeregte Gemüter in deiner Heimat beruhigen. Würden sie sehen können, was für ein Geck er ist, wäre alles wieder zunichte. Soll er sich lieber ganz langsam in Rom zu Tode saufen. Geld genug dafür hat er ja jetzt.«
    Tiberius hatte schnell und beinahe ohne Pause gesprochen, nun atmete er einige Male tief durch und fasste sich an die Brust. Als er sich wieder erholt hatte, stützte er sich mit beiden

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