Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
als würde er allen Gästen, sie eingeschlossen, am liebsten den Hals umdrehen.
    »Was ist das für ein Gefühl«, fragte er, »wenn man eine solche Kugel mit sich herumschleppt?«
    »Ein schönes Gefühl«, erwiderte sie, »da es keine Kugel ist, sondern ein Kind.«
    Ihre Antwort schien ihm nicht zu passen. »Und wie fühlt man sich, wenn man jemandem eigenhändig den Kopf abschlägt? Ich habe nämlich irgendwann selber vor, jemanden zu köpfen. Ratschläge sind also willkommen.«
    Es kostete Salome große Mühe, sich zu beherrschen. Was bildete sich dieser verlebte junge Mann mit den schlechten Zähnen und der Halbglatze eigentlich ein! »Erstens«, sagte sie, die Worte einzeln betonend, »kann ich darüber keine Auskunft geben, weil ich noch nie jemandem eigenhändig den Kopf abgeschlagen habe. Zweitens sind hier in Rom gewiss schon mehr Köpfe gerollt als in Judäa, und drittens …«
    »Oh bitte, keine Politik, Kinder«, ging Agrippa dazwischen. »Politik verdirbt jedes Fest.« Sichtlich bemüht, das Thema zu wechseln, fragte er Salome: »Du warst auf Capri, habe ich gehört. Wie findest du die Insel?«
    »Nicht so beeindruckend wie den Kaiser«, antwortete sie und fügte mit einem Seitenblick auf Caligula hinzu: »Er war ausgesprochen freundlich und munter. Ja, mir schien, als könne er noch zwanzig Jahre leben.«
    Agrippa hakte sich bei ihr unter und führte sie einige Schritte weg. »Das war nicht nett von dir, Kusinchen. Mit Caligula steht und fällt mein Fest. Wenn er geht, werden die anderen auch gehen. Er ist ohnehin schon schlechter Laune, weil es März geworden ist und Tiberius noch lebt – einer Weissagung nach soll Tiberius im gleichen Monat sterben wie Julius Cäsar, also im März. Und nun berichtest du ihm, wie blendend es dem Kaiser geht.«
    »Und über seine Unhöflichkeit verlierst du wohl kein Wort, wie?«
    »Kusinchen, Kusinchen, du musst noch eine Menge lernen, wenn du in Rom glücklich werden willst. Caligula ist die Zukunft des Imperiums, unsere Zukunft. Ich werde doch nicht die Zukunft zurechtweisen! Also, wenn du deinen Patzer wieder gutmachen willst, dann tanze vor Caligula. Ich meine natürlich nicht heute. Mit diesem Bauch siehst du ja wirklich verboten aus.«
    »Herzlichen Dank, Onkel Agrippa«, parierte sie. »So galant du auch bittest, ich werde gewiss nicht tanzen.«
    Agrippa zuckte mit den Schultern. »Wie du meinst. Wir suchen jetzt erst mal eine andere Gesprächsrunde für dich. Warte, wo könnten wir dich denn …«
    Er stellte sich auf die Zehenspitzen und suchte die Gästeschaft ab, und auch Salome sah sich um. Sie entdeckte jedoch nur Menschen, denen sie bereits ansah, dass sie sie nicht mögen würde: verwöhnte junge Männer, betrunkene Senatoren, übertrieben geschmückte Frauen. Ihr Blick blieb schließlich auf einem älteren Mann in einem schlichten Gewand haften, der abseits stand und gelassen dem Treiben zusah. Agrippa bemerkte ihr Interesse an ihm.
    »Da hast du dir den Langweiligsten von allen ausgesucht, Kusinchen. Ich lade ihn bloß ein- oder zweimal im Jahr ein. Im Grunde bin ich froh, dass sich jemand um ihn kümmern will, noch dazu eine Glaubensgenossin.«
    »Er ist Jude?«
    Agrippa nickte. » Rabban Efraim, einer der Führer der jüdischen Gemeinde in Rom.«
    Salome zuckte zurück, doch es war zu spät. Sie stand dem Rabban bereits gegenüber. Alles andere, als ihn zu begrüßen und wenigstens einige Worte mit ihm zu wechseln, wäre enorm unhöflich gewesen, doch alles in ihr sträubte sich dagegen, erneut mit einem jüdischen Glaubenslehrer in Verbindung zu kommen. Die Erinnerung an die Feindschaft mit Jehudah war noch zu frisch; allerdings hatte nicht nur er Salome in der Vergangenheit wegen ihres Lebenswandels bekämpft: Zacharias, Johannes, Kephallion, Nathan … Tatsächliche und selbsternannte Hüter der Bräuche hatten sie zeit ihres Lebens wegen ihrer Meinung und ihrer Forderungen verachtet. Von einem Rabban , selbst wenn er nicht in Judäa, sondern in Rom lebte, konnte sie nichts anderes erwarten.
    Da Agrippa sich schnell verdrückte und daher als Vermittler ausschied, beschloss Salome, reinen Tisch zu machen, um die Begegnung hinter sich zu bringen.
    »Vermutlich weißt du, wer ich bin«, sagte sie und blickte den Rabban entschlossen an. »Darum sage, was du zu sagen hast, und danach trennen sich unsere Wege für immer. Ich mute dir meine Gesellschaft nicht lange zu, und du mir nicht die deine.«
    Rabban Efraim lachte. Er lachte, dass ihm Tränen in

Weitere Kostenlose Bücher