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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Greisin eine kleine Gesellschaft gab, ansonsten jedoch lebte Salome zufrieden und ohne etwas zu vermissen in ihrem kleinen Kreis von Freunden.
    Doch eines Märztages zogen über diesem Idyll die ersten dunklen Wolken auf. Tiberius starb, und Caligula wurde zusammen mit dem minderjährigen Gemellus, einem Enkel Antonias, Kaiser. Rasch wandelte sich der junge Mann, dessen körperliche und geistige Gesundheit durch jahrelange Exzesse völlig zerrüttet war, vom Lebemann zum Tyrannen. Noch im Jahr seines Herrschaftsantritts starb Gemellus unter rätselhaften Umständen, die alte Antonia nahm sich das Leben, indem sie sich die Pulsadern öffnete, und Drusilla fiel bald darauf einem Wutanfall ihres kaiserlichen Bruders zum Opfer.
    Diese Morde waren nur der Anfang der beispiellosen Welle von Gewalt. Caligula witterte überall Verrat, und wer gestern noch sein Freund und Verbündeter gewesen war, den konnte er morgen schon als Feind betrachten. Der getreue Gardekommandant fiel diesem sprunghaften Denken Caligulas ebenso zum Opfer wie seine übrigen Schwestern, die er verhaften und auf winzigen Inseln im Tyrrhenischen Meer einkerkern ließ. Bald zitterte ganz Rom in Todesfurcht, und auch in den Provinzen konnte sich kein Amtsträger mehr seines Lebens sicher sein.
    Sogar Antipas fiel dem Verfolgungswahn des Kaisers zum Opfer und wurde – Glück im Unglück – »nur« nach Gallien verbannt.
    »Ein Wahnsinniger rottet den anderen aus«, spottete Salome bitter. »Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man fast darüber lachen.«
    Sie war mittlerweile dankbar dafür, die »Kusine« Agrippas zu sein, denn während fast jede Patrizierfamilie Roms in irgendeiner Weise unter den Verrücktheiten Caligulas zu leiden hatte, blieben Berenike und sie verschont. Salome wusste aber auch, dass der Segen von Agrippas schützender Hand von einem Tag zum anderen zum Verhängnis werden konnte, dann nämlich, wenn Agrippa in Ungnade fallen sollte. So hing auch für Salome über jedem einzelnen Tag ein Damoklesschwert, und es konnte passieren, dass man irgendwann mitten in der Nacht geweckt und abgeführt wurde. Wochenlang überlegte Salome hin und her, ob es besser wäre, Rom zu verlassen. Als sie schließlich den Entschluss dazu fasste, stand sie vor dem nächsten Problem. Der Kaiser hatte befohlen, dass sich jede Person von Rang abmelden musste, wenn sie die Stadt verlassen wollte; das galt auch für sie als Prinzessin und entferntes Mitglied der kaiserlichen Familie. Dem Kaiser jedoch Gesuche vorzulegen, hieße, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – und Caligulas Aufmerksamkeit zu haben war gefährlich.
    Sie suchte Rat bei Agrippa.
    »Auf keinen Fall«, empfahl er. »Du bist zu reich.«
    Salome runzelte die Stirn. »Was hat denn das damit zu tun?«
    »Caligula zwingt Reiche, ihn als Haupterben ins Testament zu setzen.«
    »Und?«
    »Wenn sie danach noch lange leben, wird er ungeduldig.«
    »Ich verstehe«, seufzte Salome. »Und so etwas nennst du deinen Freund.«
    »Moment mal, Kusinchen, keine Vorwürfe bitte. Er hat sich in den Jahren seiner Herrschaft nicht ein einziges Mal nach dir erkundigt, und das ist, wenn du gestattest, mein Verdienst. Wann immer er auf meine Verwandtschaft zu sprechen kommt, lenke ich ihn geschickt ab. Wenn du ihm schreibst, machst du alles zunichte.«
    So blieb sie also, wenngleich ihr diese Stadt mehr und mehr zuwider wurde. Immer häufiger sehnte sie sich nach Jerusalem zurück, nach Ashdod und nach Philippi, das mittlerweile von Kallisthenes fertig gestellt worden war und das Pontius Pilatus eingeweiht hatte. So steckte ein Römer den Ruhm für etwas ein, das als Idee in ihrem Kopf entstanden und von zwei Künstlern und Tausenden von Händen umgesetzt worden war. Der stille Ärger darüber war jedoch Salomes geringster Kummer.
     
    Vierzig Monate nach Caligulas Herrschaftsantritt wurde die Situation unerträglich, selbst für Agrippa. Fast jeden Tag musste er sich die grausamen Spielereien eines Größenwahnsinnigen mit ansehen, dem kein Scherz zu blutig und kein Einfall zu verrückt sein konnte. Als der Kaiser zu einem »Feldzug« gen Britannien aufbrach – in Wahrheit eine Farce -, sah Agrippa die Gelegenheit gekommen, um einen Landurlaub zusammen mit Freunden und Familie zu erbitten. Caligula war in einer kindisch euphorischen Stimmung und gewährte den Urlaub.
    Was dann geschah, verblüffte Salome. Agrippa lud nämlich nicht nur Berenike, Gilead, sie und seine engsten Freunde ein, ihn zu begleiten,

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