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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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sondern auch Menschen, die er kaum kannte, die jedoch potenziell gefährdet waren: vier Senatoren, einen römischen Priester des Jupiter, drei reiche Witwen, eine Hand voll bekannter Kaufleute und zwei jüdische Schiffseigner aus der römischen Gemeinde, allesamt mit Familie. Schließlich suchte auch Claudius, der stotternde Onkel Caligulas, Zuflucht bei Agrippa. Es war eine wenig homogene Mischung von Menschen, die Rom durch die Porta Tiburtina gen Osten verließ, gespalten durch Herkunft, Alter und Stellung, doch zusammengehalten von dem gemeinsamen Wunsch, zu überleben. Es war das erste Mal, seit Salome ihrem Onkel begegnet war, dass Agrippa etwas Selbstloses tat. Noch am Tag davor hätte sie ihm das nicht zugetraut, aber die gefährlichen Zeiten hatten auch ihn verändert.
    »Heute bin ich stolz darauf, deine ›Kusine‹ zu sein«, gestand sie ihm unterwegs.
     
    Agrippas Landgut östlich von Rom, an den Ausläufern der Sabiner Berge, war komfortabel ausgestattet. Neben neun großen Räumen gab es noch ein Gästehaus, ein beheizbares Außenbecken, Ställe, Pavillons mit Blick auf die zerklüftete Hügellandschaft, Wälder, Wiesen und Gärten, sogar ein Vivarium , wo wilde Tiere in einem großen umzäunten Gelände gehalten wurden. Es fehlte den Gästen an nichts. Überwogen anfangs noch die Unsicherheit und Angst, die man aus Rom mit hierher genommen hatte, verflüchtigten sich diese Gefühle bald wie übler Gestank in der herrlichen Sommerbrise Latiums, und das Leben wurde unbeschwerter. Es war einfach nicht möglich, in einer solchen Landschaft lange trübsinnig zu sein. Nach einigen Wochen führten Salome und die übrigen Gäste das typische Leben römischer Patrizier: Zum Frühstück aßen sie Knoblauchbrot, Käse, Eier und Honig, und anschließend vertrieben sie sich die Zeit mit kurzweiligen Ballspielen. Bevor sie einen Ausflug in die nähere Umgebung machten, aßen sie noch etwas Obst oder Gemüse. Am Abend ließ Agrippa im Garten Fackeln, Tische und Bänke aufstellen und große Küche servieren: Enten, Aale, Hirsche, Krebse, und selten befolgte er dabei die kashrut , die rituellen Speisevorschriften des jüdischen Glaubens. Das konnte bei jemandem, der einen unjüdischen Lebenswandel führte, auch nicht überraschen, aber selbst die anwesenden Juden stießen sich nicht daran. Es waren genug Speisen da, die sie essen durften, und außerdem war er ihr Beschützer.
    Eines Abends – man lauschte nach dem Essen den Lyraspielern oder unterhielt sich leise – tauchte plötzlich wie aus dem Nichts Rabban Efraim auf und brachte schlimme Nachrichten mit.
    »Der Kaiser hat von der Kanalküste aus eine Botschaft an den Senat geschickt und mitteilen lassen, er sei ein Gott. Man stelle sich das vor, ein Mensch als Gott! Schlimmer ist, dass er angeordnet hat, jeder römische Bürger habe ihm binnen eines Monats ein Weihrauchopfer zu bringen. Den meisten Römern macht das vielleicht wenig aus, uns Juden dagegen schon.«
    Er wandte sich an Agrippa. »Mein Junge, ich bitte dich, du musst unserer Gemeinde helfen. Viele von uns haben das römische Bürgerrecht, wir müssten opfern.«
    Agrippa fühlte sich sichtlich unwohl. »Ich weiß nicht, Rabban , ob ich das kann. Caligula ist – wie soll ich sagen? – sehr eigen in diesen Dingen.«
    Efraim schüttelte den Kopf. »Ich erwarte nicht, dass du den Kaiser umstimmst. Aber ich habe dreißig meiner Gemeindemitglieder mitgebracht, die ein Versteck suchen, um dem Opfergebot zu entgehen.«
    Diese Bitte brachte Agrippa in große Verlegenheit. Er hatte sich bisher nie direkt gegen Caligula gestellt, sondern hatte jeden Schritt äußerst lange und vorsichtig erwogen, so als bewege er sich in einem dichten Wald voller Fallen und gefährlicher Tiere. Zwar hatte er mit der Einladung an gefährdete Senatoren und sonstige Edle Hilfe geleistet, doch auch dabei hatte er sich zuvor geschickt beim Kaiser abgesichert, indem er sich von ihm selbst die Erlaubnis geben ließ, so viele Freunde und Verwandte mitzunehmen, wie er wollte. Doch nun bat Efraim ihn darum, Hochverrat zu begehen – zumindest das, was Caligula unter Hochverrat verstand. Dazu kam, dass er seine Entscheidung schnell treffen musste, etwas, das ihm überhaupt nicht lag.
    Er schluckte und wurde blass. Alle sahen ihn an, einige erwartungsvoll, andere mitleidig oder gespannt. Er setzte mehrfach an, etwas zu entgegnen, doch die Zunge klebte ihm am Gaumen. Er stotterte fast wie Claudius.
    »Das ist … Ich … Das kommt so …

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