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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Argument noch aus ihrer eigenen Schulzeit im cheder von Zacharias. »Wie kann etwas, das uns die Welt besser verstehen lässt, profan sein?«
    »Warum das Volk mit fremden Lehren in seinem Glauben verunsichern?«
    »Darauf wüsste ich tausend Antworten. Hier nur eine: Wenn sich ein Glaube dadurch erschüttern lässt, dass die Menschen verstehen, wie ihr Körper funktioniert oder wer Alexander der Große war, dann scheint dieser Glaube schon vorher brüchig gewesen zu sein, meinst du nicht?«
    Letztendlich brachte Agrippa zwar den Vorschlag vor den Sanhedrin , holte sich dort jedoch eine schroffe Ablehnung, schon deswegen, weil er nicht entschieden genug auftrat. Hatten die Pharisäer anfangs geglaubt, Agrippas Ideen seien auf sein Leben in Rom zurückzuführen, kamen sie nun dahinter, dass im Grunde nicht seine Stimme zu ihnen sprach, sondern die seiner Nichte. Sie trachteten fortan danach, Salomes Einfluss zu schmälern, wussten jedoch nicht, wie. Zudem tappten sie immer wieder in Fallen, die ihnen Salome stellte. Kurz nachdem die Pharisäer Agrippa eine Abfuhr mit seinem Schulgesetz erteilt hatten, ließen sie sich dazu überreden, dass nur jene Schulen frei von profanem Lehrstoff bleiben mussten, in denen Rabbiner unterrichteten. Das waren alle, daher stimmten sie dem neuen Text zu. Als Salome kurz darauf aus eigenen Mitteln je eine Mädchenschule in Jericho, Jebna und Hebron gründete, in denen jüdische Gelehrte aus der Diaspora heidnische Wissenschaften unterrichteten – was dazu führen würde, dass einige junge Frauen bald mehr von der Welt verstanden als gleichaltrige Männer -, fühlten sie sich hintergangen. Ihr Ärger über die listige Herodianerin, die im Volk nicht wenige »die Löwin« nannten, steigerte sich allmählich zur Wut.
    Wenn Salome keine Gesetzestexte auf Missstände überprüfte, die Rechte der Frauen stärkte oder umfangreiche Korrespondenz mit der Diaspora führte, um dortige Gelehrte nach Judäa zu holen, machte sie Ausflüge mit Berenike und den Kindern. Agrippa schloss sich ihnen selten an, aber er hatte nichts dagegen, dass Agrippinos mit ihnen ging. Er selbst bevorzugte es, sich einige Tage in Caesarea, Apollonia oder anderen vorwiegend von Griechen bewohnten Küstenstädten zu amüsieren, denn hier durfte er die strengen Regeln der thora , die auch für Könige galten, etwas lockerer handhaben als im heiligen Jerusalem.
    Sukkot , das herbstliche Laubhüttenfest im Monat tishri , feierten Salome, Berenike und die Kinder daher nur zu viert auf dem Land. Die beiden Frauen reisten in Sänften, Gilead und Agrippinos dagegen galoppierten auf ihren jungen Pferden die staubigen Wege entlang.
    »Nicht so schnell«, mahnte Salome ihren Sohn, sobald er ausnahmsweise einmal in Rufweite kam, doch es half wenig.
    »Er ist ein Wildfang«, lachte Berenike. »Das bekommst du nicht aus ihm heraus.«
    Salome lächelte. Gilead erinnerte sie tatsächlich häufig an Timon. Die schwarzen Haare und Augen hatte er zwar von ihr, doch die helle Haut und die schlanke, sehnige Gestalt stammten eindeutig von Timon. Auch Gileads verhältnismäßig kleine Statur rührte vom Vater. Er war verglichen mit Kindern seines Alters beinahe einen halben Kopf kleiner, doch er glich dies durch besondere Aufgewecktheit und Abenteuerlust aus. Agrippinos war weit vorsichtiger als Gilead, und so kam es, dass er trotz seines Altersvorsprungs selten derjenige war, der den Ton angab, sondern sich häufig von Gilead mitreißen ließ.
    Sie gelangten auf eine herrliche, weite Wiese, aus der sich bei jedem Schritt Schmetterlingsschwärme erhoben. Dort stellten sie die Körbe ab, breiteten Decken aus und holten alle Speisen hervor, die der Erntesegen in diesem Jahr Judäa geschenkt hatte: Trauben, Granatäpfel, aromatische Salate, Süßspeisen aus Feigen …
    »Halt«, rief Salome den Kindern zu, »noch nicht essen.«
    »Wir haben Hunger.«
    »Erst brauchen wir ein traditionelles sukkot -Gebinde auf unserer Tafel, bestehend aus vier verschiedenen Zweigen. Von einer Myrte, weil sie wohlriechend ist, von einer Dattel, weil ihre Früchte wohlschmeckend sind, von einem Zitrusbaum, weil er sowohl wohlriechend wie auch wohlschmeckend ist, und von …«
    Berenike übernahm für sie. »Und von einer Bachweide, die zwar weder wohlriechend noch wohlschmeckend ist, dafür aber nützlich. Alle vier sind unerlässlich fürs Leben. Die Weisheit ist …«
    Gilead und Agrippinos sahen sich ratlos an, und die Freundinnen riefen gleichzeitig: »Kein

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