Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
diesem Auftrag verweigern? Und würdest du meinen Beistand in diesem Kampf ablehnen?«
Sadoq verstand überhaupt nichts mehr. »Natürlich nicht«, antwortete er. »Er bittet uns, ihm zu helfen?«
»Er wird, Sadoq, er wird. Erst muss ich Kontakt zu den Pharisäern aufnehmen, dann …«
»Den Pharisäern?«
Kephallion grinste. »Bevor ich dir erzähle, worum es geht, trinken wir erst einmal einen guten heißen Tee.«
Salome beugte sich in ihrem Gemach über den Plan der heiligen Stadt und studierte ihn eingehend. Agrippa hatte sich in den Kopf gesetzt, Jerusalem ein großartiges Bauwerk zu schenken, das auf immer mit seinem Namen verknüpft werden sollte. Das war schwierig, denn Jerusalem hatte von Herodes und seinen Vorgängern bereits alles bekommen, was eine Stadt sich wünschen konnte: Paläste, Festungen, Türme, Heiligtümer … Was Monumentalbauten anging, stand Jerusalem Städten wie Alexandria und Antiochia in nichts nach. Was hingegen fehlte, waren eine gute Wasserversorgung und gepflasterte Straßen – die Gassen der Unterstadt wurden jeden Winter zu Schlammlöchern. Doch davon wollte Agrippa nichts wissen. Als sie ihm einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet hatte, hatte er sie angesehen, als sei sie nicht mehr ganz richtig im Kopf. Er wollte nicht, dass sein Name in hundert Jahren mit simplen Wasserleitungen oder ein paar Pflastersteinen verknüpft würde. Ihm schwebte ein Jahrtausendwerk vor.
»Jahrtausendwerk, lächerlich«, murmelte Salome, als ihr Blick über den Stadtplan huschte. Sie hatte für diesen aberwitzigen und kostspieligen Plan insgeheim nur Hohn übrig. »Warum nicht gleich ein Jahrmillionenwerk, warum nicht den Turm zu Babylon neu errichten oder Jerusalem in Agrippopolis umbenennen?« Natürlich war sie diplomatischer vorgegangen, als sie versucht hatte, Agrippa diese Idee auszureden – vergeblich. Wenn also schon monströs gebaut werden musste, dann wenigstens etwas Sinnvolles. Ihr Zusammenleben mit Timon und der Bau Philippis hatten ihr Auge für Pläne und Bauwerke geschärft, doch ihr wollten nur Gebäude einfallen, die auch einen praktischen oder künstlerischen Zweck erfüllten, oder solche, die nur von Nichtjuden genutzt würden, wie zum Beispiel eine Therme. Agrippa bestand dagegen auf etwas, das die Herzen des jüdischen Volkes erfreuen würde.
Ihr Finger glitt auf der Karte langsam von Norden nach Süden, über die Hügel Golgatha und Ophel, über Oberstadt und Unterstadt und wieder zurück. Es war zum Verzweifeln. Das Einzige, was ihr einfiel, war ein Mausoleum für die kommenden Könige, aber ob Agrippa so begeistert davon wäre, jetzt schon sein künftiges Grabmal …
»Ich hatte die Möglichkeit, dich zu töten«, raunte plötzlich eine Stimme hinter ihr.
Sie fuhr erschrocken herum.
»Kephallion!«
Er grinste. »Ich bin gerührt, dass du mich nach all den Jahren sofort erkennst.«
Für einen Augenblick war es, als blicke sie einen Geist an. Sie hatte diesen Mann, der früher sie und dann Berenike gepeinigt hatte, völlig vergessen. Seine Züge waren noch ausgeprägter als damals: pralle Backen und zwei tiefe Furchen an der Nase entlang, die Augen in tiefen Höhlen liegend, ein kleiner dicklippiger Mund, der schon seit langer Zeit nicht mehr ehrlich gelacht zu haben schien – das Gesicht eines Menschen, der nur für eine einzige Idee lebte.
»Deine Fratze würde ich immer erkennen, und wenn du fünf Masken trügest«, erwiderte sie scharf. Sie hatte sich schnell vom ersten Schreck erholt und blickte Kephallion misstrauisch an.
»Zuletzt haben wir uns in Tiberias gesehen«, fuhr er fort. »Das waren noch Zeiten, was? Zur Einweihung der Stadt stand ich hinter dir und dem Römer, und beinahe hätte ich zugestoßen.«
»Du warst schon immer ein Feigling«, parierte sie und genoss das kurze zornige Aufblitzen in seinen Augen.
»Unverschämt wie je«, stellte er mit falschem Grinsen fest.
Salome war angewidert von ihm. Seine Verbrechen fielen unter die Amnestie, dagegen war nichts zu machen. Sie würde jedoch verhindern, dass er wieder den Status eines Prinzen von Judäa bekäme und womöglich in den Palast einzöge.
»Was willst du hier? Berenikes Hochzeit verhindern? Das wird dir nicht gelingen. Sie ist rechtmäßig von dir geschieden und kann heiraten, wen sie will.«
»Mir ist sogar recht, dass sie Menahem heiratet. Dann leben sie zusammen und ich kann die beiden irgendwann – besuchen. Das macht vieles einfacher für mich.«
»Ich rate dir gut, die
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