Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Agrippa.«
»Monopole?«
»Einige Familien besitzen für Herstellung oder Verkauf bestimmter Waren Monopole, die ihnen vor vielen Jahrzehnten gewährt wurden. So besitzt zum Beispiel die Familie Garmo das Monopol für die Zubereitung der Schau- und Opferbrote für den Tempel.«
»Ich soll mich um Brote kümmern?«
»Es handelt sich über das Jahr gerechnet um zweitausend Brote, und jedes einzelne kostet das Zwanzigfache eines Brotes von anderen Bäckern. Die Kosten für diese umgerechnet vierzigtausend Brote trägt nicht der Tempel, sondern deine Staatskasse. Das Gleiche gilt übrigens für das Weihrauchmonopol der Familie Abtinas. Du solltest die Monopole aufheben und allen Bäckern und Weihrauchhändlern damit einen Gefallen tun.«
Er nickte bereitwillig, denn wo es um den Ausbau seiner Beliebtheit ging, war Agrippa für alles zu haben.
Ein anderes Anliegen trug sie schon seit Jahrzehnten mit sich herum, da es nur ein König umsetzen konnte. Wenige Wochen nach der Ankunft in Jerusalem trug sie es Agrippa vor.
»Ein Mann kann sich von seiner Frau scheiden lassen, indem er ihr einen Scheidebrief zuschickt, den gittin . Eine Frau hingegen kann sich nicht einmal dann scheiden lassen, wenn ein Gericht ihr im Grunde Recht gibt.«
»Warum?«
»Ohne Einwilligung des Gatten ist bisher keine Scheidung möglich.«
»Kann ich das überhaupt ändern?«
»Du brauchst die Einwilligung des Sanhedrin , aber wenn du die Priestergehälter erhöhst, bekommst du die leicht.«
Er rieb sich den flaumigen Bart, den er sich seit einiger Zeit wachsen ließ. »Ob eine Änderung den Männern gefallen wird?«, fragte er unsicher.
»Den Frauen wird sie gefallen. Es geht ja vorerst nur darum, dass eine Ehe aufgelöst werden kann, wenn die Frau es beantragt und ein Gericht zustimmt.«
Er seufzte. »Meinetwegen. Können wir zum Ausgleich noch etwas beschließen, das den Männern gefällt? Ich muss an meine Beliebtheit denken.«
Sie zwinkerte schelmisch. »Da fällt mir bedauerlicherweise nichts ein.«
In den folgenden Monaten fielen ihr stattdessen viele andere Verbesserungen ein. In den heiligen Schriften wimmelte es von Regeln für den Alltag, zum Beispiel, wie Bauern ihre Böden umzugraben hatten oder wie man den Brandschutz in den Städten handhaben musste. Salome hatte nie verstanden, weshalb Gott sich für die Höhe von Häusern interessieren sollte, und sie empfahl Agrippa, die Gesetzeswerke daraufhin zu überarbeiten. Hier stieß er allerdings auf den ersten Widerstand des Sanhedrin , vor allem den der Pharisäer, die sich seit Jahrzehnten erfolgreich bemühten, das Regelwerk stetig zu erweitern – zum Wohlgefallen des Herrn, wie sie sagten. Dieses Argument allein reichte, um ihre Anhänger im Volk zu überzeugen, dass alle diese Regeln einen Sinn ergaben. Schließlich konnten sich hundert Prediger Gottes unmöglich irren! Ein Ketzer, wer dem widersprach! Agrippa hatte es schwer mit den Pharisäern, und zum ersten Mal seit seinem Eintreffen in Judäa musste er sich anhören, gottlos zu sein, ja, sie gingen sogar so weit, im Sanhedrin zu beantragen, dass Agrippa vorerst den Tempel nicht mehr betreten dürfe. Er erschrak zutiefst und warf Salome vor, ihn falsch beraten zu haben.
»Ein König muss tun, was seinem Volk nutzt«, erwiderte sie. »Nicht, was Religionsführern gefällt.«
»Und was meinem Volk nutzt, das bestimmst also neuerdings du, ja?«
»Wenn du deinem Volk weiterhin jeden Gang zum Abort vorschreiben willst, ist das deine Sache. Phantasie und Wissenschaft werden sich dann in deinem Königreich allerdings nie entwickeln.«
»Aber sie wollen die Reformen doch überhaupt nicht.«
»Sie wollen sie nicht, weil sie Angst vor ihnen haben. Und sie haben Angst vor ihnen, weil sie sie nicht kennen. Wenn sie erst einmal mit den Änderungen leben, werden sie feststellen, dass Gott nicht die Erde aufreißt und Judäa verschlingt, nur weil die Abfallbeseitigung künftig im Ermessen der Städte liegt.«
Agrippa setzte einige Änderungen widerwillig durch, weil er sein Gesicht nicht verlieren wollte. Ihren künftigen Empfehlungen stand er allerdings wesentlich skeptischer gegenüber.
»Allgemeiner Unterricht an Schulen?«
»Jawohl. Geometrie, Rhetorik, Naturwissenschaften, Geschichte, Medizin … alles, was auch in Griechenland und Rom gelehrt wird. In Philippi und Ashdod habe ich solchen Unterricht schon vor langem eingeführt.«
»Es heißt hierzulande, diese Wissenschaften seien profan.«
Salome kannte dieses
Weitere Kostenlose Bücher