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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Häusern, Märkte schlossen, und Soldaten und Polizei gingen nicht mehr auf Streife. Durch den Schnee konnte man kaum vorankommen. Nur einer kämpfte sich auf seinem Pferd durch die Täler bis nach Nazareth hinein.
    Sadoq schloss eilig die Tür hinter seinem Gast, und zwar nicht nur wegen der Kälte.
    »Du hättest nicht kommen dürfen«, sagte er.
    »Warum? Hast du Angst vor mir?« Kephallion wartete nicht ab, bis Sadoq ihm anbot, den Mantel abzulegen, sondern warf ihn über das nächstbeste Möbelstück. »Ich hätte viel mehr Grund, Angst vor dir zu haben als umgekehrt. Schließlich hast du mich damals verraten.«
    Sadoq schüttelte den Kopf. »Nicht, bevor du mich verraten hast.«
    Kephallion grinste. »Geschichten von vorgestern, Sadoq. So etwas sollte nicht länger zwischen uns stehen.« Er ging zum wärmenden Kohlenbecken und rieb sich die Hände. Er kannte die Kälte noch von früher, doch in den letzten Jahren hatte er in Arabien gelebt, wo die Römer ihm nichts anhaben konnten. Was für ein grauenhaftes Leben hatte er dort geführt! Er, ein judäischer Prinz, ein Diener Gottes, beinahe mittellos in einem Land voller Ungläubiger. Wie sehr hatte er diese Jahre gehasst. Und wie sehr hasste er jene, die an seinem Martyrium schuld waren. Er würde es ihnen allen heimzahlen: Berenike, Menahem, den Römern und – auch Sadoq. Der, den er früher für den Messias angesehen hatte, war für ihn jetzt nur noch ein gewöhnlicher Greis ohne Rückgrat, ein Verräter aus Schwäche. Nicht nur, dass Sadoq sich damals gegen seinen treuesten Anhänger gewandt hatte, gegen ihn, heute wandte Sadoq sich sogar gegen die Bewegung als Ganzes, gegen die zelotische Idee, denn er plante die Auflösung der Sekte. Als Kephallion in seinem arabischen Exil davon gehört hatte, war ihm die Erleuchtung gekommen – im wahrsten Sinne des Wortes. Welch einem Irrtum war er so viele Jahre aufgesessen! Wie blind war er doch für den wahren Willen des Herrn gewesen! Nicht Sadoq war der Messias , der große Befreier des Volkes, sondern er selbst war es, Kephallion. Er war dazu bestimmt, den Staat Gottes zu errichten.
    Aber mit dieser Erleuchtung war ihm auch die Erkenntnis gekommen, dass er raffinierter und geduldiger als damals vorgehen musste, um das erhabene Ziel zu erreichen. Zunächst einmal musste er wieder in die Führungsriege der Zeloten aufgenommen werden, denn nur von dort aus konnte er weiterkommen.
    »Ich habe damals Fehler gemacht«, räumte er ein. »Heute sehe ich die Dinge anders, das musst du mir glauben.«
    Sadoq setzte sich müde auf ein Bodenkissen. »Was macht das für einen Unterschied, ob ich dir glaube oder nicht? Die Schlacht ist geschlagen, unser Kampf ist zu Ende. Der Zweck, weshalb ich die Zeloten einst gründete, hat sich erfüllt. Judäa ist frei. Ich warte nur noch auf die Bestätigung, dass alle Zeloten begnadigt werden, dann löse ich die Sekte auf. Ich rechne noch in diesem Monat mit der Amnestie des Königs.«
    Des Königs, dachte Kephallion bitter. Warum fiel das Volk bloß auf diesen so genannten König herein? Agrippa war doch eher ein Römer denn ein Jude, eingesetzt vom römischen Kaiser, dazu ein Sünder, der lieber in Caesarea seichten Vergnügen frönte, als von Jerusalem aus Judäa zu einem starken Staat zu machen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie gottlos Agrippa war, dann musste man sich nur ansehen, welche Gesetze er in den letzten Monaten beschlossen hatte: Rechte für Frauen, Bruch der Traditionen, und alles unter dem Einfluss der Heidenhure Salome.
    »Gewiss, die Römer sind abgezogen, Sadoq, aber was wäre, wenn Judäa nun von anderer Seite Gefahr drohte?«
    Sadoq runzelte die faltige Stirn. »Ich verstehe nicht. Von welcher Seite?«
    »Antworte mir. Warum hast du die Zeloten gegründet?«
    »Wegen der Römer.«
    »Es waren doch nicht nur Römer, die deinen Freund Zelon umgebracht haben. Verräterische, vom Glauben abgefallene Juden wie Archelaos waren ebenso beteiligt gewesen. Sind solche Juden nicht ebenso unsere Feinde wie die Römer? Sind sie nicht noch viel gefährlicher, weil sie unseren Glauben unterwandern?«
    »Schon richtig. Aber diese Zeiten sind längst vorbei, Kephallion. Agrippa mag nicht unser Idealkönig sein, aber er ist kein Verräter an unserem Glauben.«
    »Ich spreche nicht von Agrippa«, orakelte Kephallion. »Im Gegenteil. Wenn ich dir nun sagen würde, dass Agrippa die Zeloten bald schon bräuchte, um eine Gefahr vom Volk abzuwehren, würdest du dich dann

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