Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
beiden in Ruhe zu lassen, sonst …«
Er lachte schallend. »Die Prinzessin droht mir. Ich zittere, oh, siehst du, wie ich zittere?« Er ging einen Schritt auf sie zu.
Sie wich instinktiv zurück und griff nach einem Gegenstand.
»Nicht doch«, sagte er. »Du denkst doch wohl nicht, ich würde Hand an dich legen? Jetzt bin ich enttäuscht. Nein, das wäre billig und einfallslos. Ich habe mir etwas viel Besseres für dich überlegt. Nacheinander werde ich dir alles nehmen, was dir noch etwas bedeutet. Mit deinem Einfluss auf Agrippa fange ich an.«
»Ich lasse dich auf der Stelle aus dem Palast werfen.«
Wieder lachte er. »Typisch Salome, impulsiv bis ins Grab. Ich gebe dir einen Rat. Das mit dem Rausschmiss solltest du besser bleiben lassen, denn ich bin auf Einladung des Königs hier. Noch in dieser Stunde habe ich eine Besprechung mit ihm, dem Hohepriester und einem Führer der Pharisäer.«
»Mit … Agrippa?«, fragte sie verwundert.
»Soweit ich weiß, ist er der König – noch jedenfalls. Er zählt auch zu den Dingen, die ich dir eines Tages nehmen werde, ebenso übrigens wie deine Freundin und …« Er machte eine Pause und funkelte sie gemein an. »Ich habe eben dein niedliches Söhnchen getroffen. Dafür, dass er ein Hurensohn ist, sieht er erstaunlich jüdisch aus. Für mich ein Zeichen, dass jüdisches Blut stärker ist als griechisches. Dennoch bleibt der Bursche ein Bastard, und niemand wird ihm eine Träne nachweinen, wenn ich ihn eines Tages …«
Ihre Ohrfeige hallte wie ein Peitschenknall durch das Gemach. »Wenn du ihn auch nur schief ansiehst«, flüsterte sie, »wirst du es bereuen. Das schwöre ich dir, chamor .«
Kephallion rieb sich die feuerrote Wange. »Der Letzte, der mich so genannt hat – mein Vater, wie du weißt – starb mit meinem Dolch im Rücken. Du wirst länger leiden, Hure, das schwöre ich dir.«
Salome wartete, bis Kephallion den Raum verlassen hatte, dann erst setzte sie sich und atmete tief durch. Sie gestand es sich nicht gerne ein, aber Kephallion hatte es geschafft, sie aufzuregen. Seine Drohungen, seine unheimlichen Andeutungen bezüglich Gilead und Agrippa … Und dann diese seltsame Besprechung: der König, die Zeloten, die Pharisäer. Eine beunruhigende Konstellation. Schon die Tatsache, dass zwei verfeindete Sekten bei Agrippa zusammentrafen, verwirrte sie.
Kephallion hatte immer schon eine Spur von Gewalt hinterlassen, wo er stand und ging. Wenn er nach Jerusalem gekommen war, dann nur, um Verderben zu bringen.
27
Agrippa blickte von der einen Gruppe zur anderen und wieder zurück. Auf der einen Seite des Tisches standen der Hohepriester sowie Matthias, ein führender Pharisäer, in ihren weiten Gewändern. Sie verkörperten nicht nur die Würde des Sanhedrin , sondern zugleich die Mehrheit des Volkswillens. Auf der anderen Seite standen die beiden Zeloten, schlicht gekleidet, Kämpfer in einem jahrzehntelangen, wenn auch vergangenen Krieg. Und das Erstaunliche war: Diese völlig unterschiedlichen Repräsentanten, die lange Zeit verschiedenen Seiten angehörten – die einen duldeten die Römer, die anderen mordeten sie, wo sie konnten -, waren sich in der Frage, um die es heute ging, völlig einig.
»Das habe ich nicht gewusst«, sagte Agrippa.
»Vielleicht hast du dich in der Vergangenheit zu sehr von Schulreformen und von der Lockerung jahrhundertealter Monopole einnehmen lassen, mein König«, bemerkte der Pharisäer.
»Den König trifft keine Schuld«, sagte Kephallion generös. »Die übelsten Gefahren schleichen auf leisen Sohlen daher. Diese ist so eine.«
Agrippa blieb vorsichtig. »Sind diese Leute, diese … Wie heißen sie noch gleich?«
Kephallion spie das Wort geradezu aus. » Christiani .«
»Sind diese Christiani denn wirklich eine so große Gefahr? Hohepriester, wie ist deine Meinung?«
Der Hohepriester war ein Sadduzäer und stand als solcher sowohl den Pharisäern wie den Zeloten im Allgemeinen ablehnend bis feindlich gegenüber. In dieser Frage pflichtete er ihnen bei. An den Fingern zählte er auf. »Die Christiani lassen ihre Söhne nicht beschneiden und verweigern damit den Bund mit Gott. Sie halten die meisten Speisevorschriften nicht ein, zum Beispiel essen sie Wild oder Schalentiere aus dem Meer. Sie machen sich ein Bild vom Herrn, indem sie seinen angeblichen Sohn am Kreuz anbeten. Und sie …«
»Was hat es mit diesem Gekreuzigten auf sich?«, wollte Agrippa wissen.
»Ein selbsternannter Messias , der sich von
Weitere Kostenlose Bücher