Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
ebenfalls Hochverräter und er selbst ein verfolgter Verbrecher. Warum, Kephallion, haben die Zeloten sich noch nicht aufgelöst?«
»Weil unsere Dienste im Kampf gegen die Abtrünnigen des wahren Glaubens vonnöten sind.«
»Ob sie Feinde sind, hast nicht du, sondern der König zu entscheiden.«
»Deswegen sind Sadoq und ich hergekommen. Im Übrigen – Du selbst warst es doch, die einen der ersten Christiani hat töten lassen: Johannes den Täufer.«
»Ist das wahr?«, fragte Agrippa. »War dieser Prophet ein Christ?«
Salome atmete tief durch. Der Fehler mit Johannes dem Täufer schien sie ihr ganzes Leben zu verfolgen. »Gewissermaßen, aber …«
»Ich habe genug gehört«, unterbrach Agrippa sie. »Wir müssen etwas gegen die Christiani unternehmen, das sehe ich ein. Allerdings sollen nur die Führer der Sekte verhaftet werden, und sollten sie untertauchen, werden wir sie mit Hilfe der Zeloten aufspüren, nicht wahr?«
Sadoq nickte müde. »Wir haben unsere Augen und Ohren überall, mein König. Wenn du es befiehlst, stehen dir die Zeloten zur Verfügung.«
»Ja, ich befehle es.«
»Du machst einen Fehler«, warf Salome ein. »Siehst du nicht, was deine neuen Ratgeber erreichen wollen? Die Zeloten, gestern noch unsere Feinde, machst du mit einem Schlag hoffähig, und den Pharisäern geht es nur darum, ihren Einfluss auf das Volk und dich zu behalten.«
Agrippa schätzte es ganz und gar nicht, vor Mitgliedern des Sanhedrin kritisiert zu werden. »Ich glaube«, entgegnete er zähneknirschend, »dass es dir darum geht, deinen Einfluss zu behalten.«
»Du tust Menschen etwas zu Leide, die nichts …«
»Du selbst hast den Kopf eines der Christiani gefordert, hast ihn dir sogar auf einem Tablett servieren lassen, und nun …«
»Das sind kranke Fantasien. Ich habe niemals etwas Derartiges …«
»Und nun«, führte er seinen Satz zu Ende, »wirfst du mir vor, einige von ihnen verhaften zu lassen. Seltsame Logik.«
»Du bekommst ein paar Halbwahrheiten vorgesetzt, und schon fällst du dein Urteil. Weise ist das nicht, Agrippa.«
»Was fällt dir ein, mich bei meinem Namen anzusprechen«, donnerte er, »und meine Fähigkeiten in Frage zu stellen! Wer bist du, dass du so etwas wagen darfst!«
Salome senkte den Kopf. Sie sah ein, dass sie zu weit gegangen war. »Verzeih, mein König. Ich war respektlos. Doch ich habe dir im vergangenen Jahr manchen guten Rat gegeben, wie du weißt.«
»Du hast mir nichts als Ärger gemacht in diesem einen Jahr, seit wir hier sind.«
»Du selbst hattest mich in Rom geradezu angefleht, mit dir …«
»Schweig«, schrie er, erregt wie nie. »Du hetzt mich gegen die Pharisäer, die Pharisäer gegen mich, mich gegen die Zeloten … Einen hetzt du gegen den anderen, damit am Ende nur noch du und deine närrischen Ideen übrig bleiben. Ein falsches Weib bist du, wie meine Schwester. Hier sind wir versammelt, Sadduzäer, Pharisäer, Zeloten und König, einig wie nie, und du versuchst, uns wieder zu spalten. Aber da mache ich nicht mehr mit. Geh!«
Als sie nicht sofort gehorchte, schrie er mit aller Kraft: »Geh, sage ich. Sofort. Und erscheine nicht wieder vor mir, ehe du gerufen wirst.«
Mit erhobenem Kopf wandte sie sich um.
»Ach übrigens«, rief ihr Kephallion hinterher. »Grüße bitte Berenike von mir. Viel Glück für ihre Ehe.«
Berenikes Hochzeit war deprimierend. Dabei hatten sie und Menahem sich mit den Vorbereitungen große Mühe gegeben. Die Zeremonie fand an einem warmen Vollmondabend im Garten Gethsemane statt, die Blätter raschelten im Wind, ein großes Feuer knisterte, und an der langen Tafel gleich daneben warteten Diener darauf, die Gäste mit allerlei Köstlichkeiten zu bewirten. Die Tafel blieb jedoch leer. Außer Gilead und Salome war nur Agrippinos gekommen, und auch das nur, weil er sich davonschleichen konnte. Das Fernbleiben seines Vaters war ihm ausgesprochen peinlich.
»Du kannst am wenigsten dafür«, sprach ihm Salome gut zu. »Vermutlich will er mir aus dem Weg gehen. Und wenn der König nicht kommt, kommt niemand.«
Trotzdem waren Berenike und Menahem an diesem Tag glücklich. Nach vielen Jahren voller Schmerz und Trennung gehörten sie von heute an zusammen, und Salome konnte nicht verhindern, dabei auch an sich selbst und Timon zu denken, die ein ähnliches Schicksal erlitten hatten – allerdings mit weniger glücklichem Ausgang. Seit Timons Tod hatte sie nie wieder einen Mann zärtlich berührt, doch als sie sah, wie Menahem
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