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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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dass Kephallions Dummheit äußerst gewalttätig ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Gewalt die Eigenschaft hat, sich fortzupflanzen, sie entsteht wieder und wieder aus sich selbst und kann das ganze Land ins Verderben stürzen.«
    »Nun übertreibst du.« Er lächelte beruhigend. »Es bedarf mehr als ein paar verwirrter Köpfe, um ein Königreich zu Fall zu bringen. Ich muss es wissen, ich bin ein König.«
    »Ja«, bestätigte sie, »aber nicht von Judäa.«
    »Du solltest einmal mein Königreich sehen«, schwärmte er. Vor seinem inneren Auge schienen die Landschaften und Städte seiner Heimat vorüberzuziehen. »Wir haben dort Berge, bedeckt mit Wäldern. Wir haben den breiten Euphrat, wo schon vor Jahrtausenden Siedlungen standen, und wir haben das Pontus Euxinus , das Schwarze Meer. Ein bisschen ist meine Heimat wie deine, alt und ehrwürdig, nur die Menschen sind weniger religiös und verkrampft.«
    »Klingt wie das Paradies.«
    »Es wartet auf dich.«
    Salome schloss die Augen. Diesen Moment hatte sie kommen sehen und gefürchtet seit dem Tag, als Aristobul auf den »Berg des Ärgernisses« geritten kam, ja, vielleicht schon seit dem Abschied auf dem Palatin in Rom.
    »Versteh bitte, Aristobul. Ich kann Judäa nicht einfach den Rücken kehren. Ich bin als Kind durch diesen Wald hier spaziert, ich habe jeden Morgen Jerusalem gesehen, habe Feigen aus den Hainen gegessen …«
    »Das ist doch nicht der wirkliche Grund«, stellte er trocken fest.
    »Du willst weitere Gründe hören? Schön, du bekommst sie. Ich bin in der Familie geboren worden, die seit einem Jahrhundert die Verantwortung für das Land trägt, im Guten wie im Schlechten. Wir sind die Nachfolger Davids und Salomons. Dieses Land verlässt man nicht so einfach, wenn man eine Herodianerin ist.«
    »Du hast es doch schon einmal verlassen.«
    »Im Zorn, ja. Und bin dennoch wieder zurückgekehrt.«
    »Du selbst hast gesagt, wie schwierig die Juden sind.«
    »Es ist kompliziert, dies jemandem zu erklären, der kein Jude ist.«
    »Du hast dich nie wie eine typische Jüdin gefühlt.«
    »Woher willst du wissen, wie ich mich fühle?«
    »Ich bitte dich, jeder weiß das. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die mir deine Geschichte erzählt haben – deine ganze Geschichte.«
    Ihr fehlten beinahe die Worte. »Das darf doch nicht wahr sein! Du schnüffelst in meinem Leben herum?«
    Aristobul lächelte bitter und schüttelte leicht den Kopf. »Du versuchst gerade, einen Streit vom Zaun zu brechen.«
    »So, meinst du?«
    »Ja«, erwiderte er ruhig. »Deine wortreichen Entschuldigungen, weshalb du Judäa nicht verlassen willst, deine rührenden Kindheitserinnerungen und deine vermeintliche Verpflichtung dem Land gegenüber, das alles sind doch nur Ausflüchte, Salome. Du belügst dich selbst.«
    »Jetzt bin ich also auch noch eine Lügnerin. Fein, was möchtest du mir noch sagen?«
    »Nichts mehr. Es hat keinen Sinn, solange du die Wahrheit nicht anerkennen willst. Ich liebe dich, und ich weiß, dass du starke Empfindungen für mich hast. Du lässt sie nur nicht zu.«
    »Ich will nichts mehr hören. Du bist ja völlig verrückt.« Sie wandte sich abrupt ab und ging in den Wald davon. Dutzende Stimmen in ihr schrien – die einen, dass sie zurückgehen solle und um Entschuldigung bitten, die anderen, dass sie den Namen Aristobul für immer vergessen solle. Die Stimmen nannten sie eine Närrin, eine Furie, eine Matrone, einen kalten Fisch, eine Verräterin, eine Verfluchte …
    Irgendwann, sie war schon tief im Wald, lehnte sie sich an einen Baumstamm und weinte, weil sie sich innerlich zerrissen fühlte wie nie zuvor.
    »Timon«, rief sie in das Gewirr der Äste hinauf, »sag mir doch, was soll ich tun?«
     
    Ganz Caesarea hallte wider vom Beifall der Massen, als Agrippa, gefolgt von seinem Sohn Agrippinos, das Amphitheater betrat und sich eine Weile mit siegreich erhobenen Händen feiern ließ. Die Griechen der Stadt jubelten weniger ihm zu als den prächtigen Vergnügungen, die ihnen seine Besuche brachten, doch das zu erkennen, war Agrippa nicht der Mensch. Für diesen Tag hatte er den Leuten eine besondere Überraschung versprochen, und er hatte seiner gesamten Familie befohlen, diesem Ereignis beizuwohnen. So betrat Salome zum ersten Mal eine Arena. Sie ahnte nichts Gutes. Kephallion hatte seine Drohung von damals wahr gemacht und übte mittlerweile einen beherrschenden Einfluss auf den König aus. Agrippa vertraute Kephallion in allem, denn alle

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