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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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und verstand, dass sie im Grunde nicht Kephallion unterlegen war, sondern vielmehr einer Macht, gegen die kein Mensch ankommen konnte: das Blut. Agrippa war Herodianer, und bis auf Philipp hatten alle männlichen Mitglieder der Familie eine Neigung zur Grausamkeit besessen, selbst der närrische Archelaos. Zusätzlich war Agrippa in der gefühllosen Welthauptstadt erzogen worden, wo sich alles nur um Vergnügen und Geld drehte. Nicht einmal Gott selbst hatte den König im Zaum halten können, wie konnte da sie es schaffen!
    Sie wollte nach Ashdod zurück, das sie eine Ewigkeit nicht gesehen hatte, wollte in den Hainen und am Strand spazieren, Gilead das Schwimmen beibringen und ihn heranwachsen sehen. Sie wollte Timon nahe sein.
    Gilead kam angerannt. In seiner grünen, griechischen Tunika und mit den weiten Schritten sah er aus wie sein Vater.
    »Mutter«, rief er fast atemlos und umarmte ihren Körper.
    Sie streichelte ihm über die Haare. »Du hast dich ja schon wieder völlig verausgabt.«
    »Der König«, sagte er. »Er stirbt.«
     
    Einem alten, fast vergessenen Brauch zufolge wurde ein sterbender König vom Volk umringt. Natürlich hatte Herodes, nachdem er sein Leben lang Traditionen missachtet hatte, auch diese unterbrochen. Agrippa hatte sich ihrer wieder erinnert und die Palasttore öffnen lassen. »Ich wollte wie ein großer König sterben, wenn ich schon nicht wie einer gelebt habe«, begrüßte er Salome mit gebrochener Stimme, als sie an sein Bett trat.
    Sie wusste nicht, was sie ihm antworten sollte. Was immer sie sagen würde, klänge unglaubwürdig, nachdem sie ihm erst vor Stunden an den Kopf geworfen hatte, nichtswürdig zu sein.
    »Aber sieh her«, fügte er hinzu, »nicht einmal das will mir gelingen.«
    Sie wusste, worauf er anspielte. Nur wenige Caesareaner waren erschienen. Die Griechen akzeptierten Agrippa nur so lange als König, wie er sie mit Spielen und Geschenken verwöhnte. Wie einst den armen Archelaos, hatten sie auch ihn weder geliebt noch geachtet. Und was die Juden der Küstenstadt anging: Sie nahmen ihm die Spiele übel, die er hier des Öfteren veranstaltet hatte. Außer zwei knappen Dutzend Bürgern befanden sich nur Höflinge, ein Rabbiner , ein Arzt sowie Agrippinos, Gilead und Kephallion im Raum. Salome war die einzige Frau.
    »Ein grausamer Witz des Schicksals«, sagte er schwach. »Den Griechen war ich zu jüdisch, den Juden zu römisch, und den Römern werde ich bald zu … zu tot sein.« Er lachte bitter auf, was ihm sichtbare Schmerzen verursachte.
    Der Arzt flößte ihm einen Kräutertrank ein.
    »Woran stirbt er?«, fragte ihn Salome leise.
    »Ich weiß es nicht«, gab der Mediziner zu. »Schmerzen in der Brust, das könnte alles sein.«
    »Es ist Gott«, widersprach Agrippa, der den Arzt gehört hatte. »Er zürnt mir, weil ich ihn gelästert habe.« Unvermittelt ergriff er Salomes Hand und richtete sich etwas auf. »Du musst … du musst auf Agrippinos achten. Er braucht jemanden wie dich. Das Land braucht jemanden …«
    Erschöpft sackte er wieder auf das Kissen. »Versprich es mir.«
    Sie zögerte. Selbst ein flehender Blick des Sterbenden konnte sie zunächst nicht bewegen, ein solch weitgehendes, verantwortungsvolles Versprechen zu geben. Erst Gilead, der an ihre Seite trat und sie erwartungsvoll ansah, brach ihren Widerstand. »Ich verspreche es.«
    Jetzt wandte der König sich an seinen Sohn. »Höre auf deine Kusine. Sie ist so viel älter als du. Sie weiß guten Rat. Und höre … höre niemals auf den Rat von … von …« Agrippas Blick blieb auf Kephallion ruhen. Dann sackte sein Kopf zur Seite.
    Ein Augenblick herrschte Stille, dann übernahm Kephallion die Aufgabe des Arztes und rief: »Agrippa ist tot.« Und er fügte hinzu. »Gott hat ihn abberufen, weil er ihn gelästert hat. Agrippa rief heute mehrfach nach römischer Art einen der Götter der Ungläubigen an, und zwar Jupiter. Darum …«
    »So ein Unsinn«, fuhr Salome dazwischen. Es widerstrebte ihr, in diesem Augenblick, kaum dass Agrippa gestorben war und sein Sohn um ihn trauerte, einen lauten Streit auszufechten. Doch Kephallions Thesen durften nicht unwidersprochen bleiben.
    »Agrippa selbst«, rief Kephallion, »hat eingestanden, gelästert zu haben.«
    »Damit meinte er die blutigen Verfolgungen der Christiani , die nicht im Einklang stehen mit den friedlichen Traditionen von uns Juden. Du bist ein Esel, Kephallion, wenn du das nicht verstehst. Dein Leben lang hast du die Schriften

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