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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Herodias ihn sachte von sich. »Ach ja, fast hätte ich es vergessen. Ich muss mit dir noch über den Griechen reden, der die Alte umbringen wollte. Meine Tochter interessiert sich für ihn.«
    Coponius atmete schwer. Seine Augen glühten, und sein Körper zitterte vor Ungeduld. »Du stehst nackt und mit offenem Haar vor mir und willst über einen Griechen reden? Das ist doch nicht dein Ernst.«
    »Doch. Je eher wir uns über ihn einig werden, desto …«
    »Schon gut, schon gut, ich habe verstanden.«
    Er holte tief Luft, und während er redete, zog er seine Uniform aus. Gürtel, Tunika und Ledersandalen flogen quer durch den Raum. »Als er das Attentat beging, war Judäa de jure bereits römisches Staatsgebiet, auch wenn ihr es noch nicht wusstet. Zwar hat der Imperator den Juden ihre eigene Gerichtsbarkeit belassen, doch der Grieche hat eine Fürstin angegriffen, die direkt unter Roms Schutz stand. Sein Angriff war ein Angriff auf Rom, daher untersteht er meinem Gericht. Ich habe ihn bereits in den Kerker meiner Residenz nach Caesarea bringen lassen. Machen wir’s kurz: Ich lasse den Griechen frei, damit ist das Thema erledigt.«
    Endlich war er vollständig ausgezogen. Er umfasste ihre Schultern und wollte Herodias mit sanftem Druck auf die Knie zwingen. Doch sie widerstand.
    »Genau das will ich nicht«, sagte sie.
    »Damals im Hain hast du es so gewollt.«
    Sie rollte mit den Augen. »Ach, das meine ich doch gar nicht. Ich rede noch immer von dem Griechen. Du sollst ihn nicht freilassen. Er verdreht Salome den Kopf, und wenn man ihr den Kopf verdreht, sieht sie nicht mehr das Wesentliche. Sie ist nun eine Stadtfürstin und hat einen besseren Mann verdient, einen, der mehr aufzuweisen hat als einen toten Gelehrten als Vater.«
    »Wirklich sehr mütterlich gedacht von dir. Kann es auch sein, dass du nicht daran interessiert bist, dass sie so schnell heiratet? Du würdest die Regentschaft über Ashdod verlieren, bevor du sie so recht innegehabt hättest.«
    »Und du dein Zehntel an den Einnahmen«, konterte sie treffsicher. »Du sollst den Kerl ja nicht hinrichten, nur verschwinden muss er. Für eine lange, lange Zeit.«
    Coponius grinste. »Du bist ruchlos, weißt du das?«
    »Was ist nun mit dem Griechen?«
    »Er kriegt seine Strafe.«
    »Salome darf es nie erfahren. Nichts über die Fälschung des Protokolls und schon gar nichts über den Griechen. Sie glaubt, ich helfe ihm, und du musst sie in diesem Glauben belassen. Wenn sie dich je fragt, sage ihr, dass du ihn auf meine Bitte hin freigelassen hast, sage ihr, dass …«
    »Keine Sorge«, wiegelte er ungeduldig ab und umfasste Herodias’ Körper. »Meine Lippen gehören ganz dir.«

DRITTER TEIL
    Die Schleier der Haritha

8
    Salome saß über eine der Dutzenden von Schriftrollen gebeugt, die auf dem Schreibtisch verteilt lagen und zusammen De Republica bildeten, Ciceros Untersuchung republikanischer Verfassungen. Sie hatte fast ein Jahr darauf gewartet. Der Agent, den sie regelmäßig mit der Suche nach wissenschaftlichen oder politischen Werken beauftragte, hatte es schwer gehabt, an eine Abschrift davon zu kommen, denn der Autor war seit über einem halben Jahrhundert tot, die römische Republik hatte ihn nicht lange überlebt und die Kaiser mochten seine republikanischen Plädoyers nicht.
    Zum ersten Mal las Salome etwas über die Elemente einer Verfassung, über die Möglichkeit der Trennung von Gerichtsbarkeit, Regierung und Polis , der Summe der Menschen eines Staates, die über die Gesetze abstimmten. Von einer solchen Regelung war Judäa weit entfernt. Offiziell waren die Gerichte unabhängig, allen voran der sanhedrin , die höchste richterliche Versammlung. Der sanhedrin verfügte über eine eigene Polizei, konnte nach Gutdünken Strafen verhängen und betonte seine Unabhängigkeit schon durch seine Lage auf dem Tempelberg, direkt neben dem Allerheiligsten. Sogar Gesetze wurden von ihm auf der Basis der thora erlassen. Doch das war nur Schein. Herodes hatte den sanhedrin gefügig gemacht, ebenso die Priesterschaft, und das Volk hatte ohnehin nichts zu sagen. Im Grunde war in Judäa unter Herodes genau das passiert, was auch in Rom unter Augustus geschehen war – vielleicht hatten die beiden sich deswegen so gut verstanden. Die Verfassungen, die die Macht auf mehrere Schultern verteilten, waren so lange ausgehöhlt worden, bis sie nur noch Fassade waren, republikanische Mäntel für autokratische Herrscher. Cicero, dachte Salome, würde sich wohl

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