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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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gefasst: dass man erneut vor dem Nichts stand. Wie nach dem Tod des großen Herodes, so würde der Familie vielleicht auch jetzt nichts anderes übrig bleiben, als sich nach einer neuen Bleibe umzusehen, wobei die Möglichkeiten stark eingeschränkt waren. Jerusalem, wohin sie alle am liebsten gehen würden, schied aus. Zwar kündigte Coponius an, nicht die ständig rumorende Stadt Davids als Sitz seiner Prokuratur zu wählen, sondern die hauptsächlich von Griechen bewohnte Küstenstadt Caesarea. Er behielt sich jedoch vor, den Jerusalemer Palast gelegentlich zu benutzen, und für einen Römer als Hausherrn war die frühere Königsfamilie zu stolz. So blieb ihnen lediglich, auf ein Hofleben zu verzichten – was hier keiner auch nur einen Lidschlag lang in Erwägung zog – oder zu einem der beiden verbleibenden Fürsten zu ziehen, zu Antipas nach Galiläa oder zu Philipp in die Halbwüsten Basans. Die bange Frage nach dem Testament und seinen Folgen füllte die letzten Tage von Ashdods einst prächtigem Hof aus.
    Von allen ging es Herodias am schlechtesten. Wenn die Gerüchte stimmten, dann war sie erneut um ein Erbe betrogen worden, das ihr schon sicher schien, und während dieser Tage fluchte sie tausendmal still in sich hinein. Dass es den anderen Familienmitgliedern genauso ging, tröstete sie nur wenig. Nach wie vor standen sie finanziell schlechter als jeder gewöhnliche Kaufmann; sie besaßen kein Land, kein Haus und kein nennenswertes Geschmeide. Sie blieben von der Gunst anderer abhängig. Diesmal aber war sie nicht gewillt, das Schicksal einfach hinzunehmen. In ihr reifte ein viel versprechender, wenn auch gefährlicher Plan. Sie musste allein vorgehen, denn Theudion war zu aufrichtig und Salome noch zu jung und unverdorben, als dass sie hätten eingeweiht werden dürfen. Das Einzige, worüber Theudion sich Gedanken machte, war, dass er nun womöglich sein Amt als Toparch von Jebna abgeben musste, in dem er sich – lächerlich genug – wohl gefühlt hatte. Und Salome belästigte sie unentwegt mit ihrem Kummer wegen des Griechen.
    »Jetzt, wo Akme tot ist, wird man ihn doch nicht verurteilen, oder?«, fragte Salome.
    »Wenn man dich hört, könnte man meinen, du freust dich, dass die Alte gestorben ist.«
    Salome war tatsächlich, zu ihrem eigenen Erstaunen, eher erleichtert als betrübt. Noch vor wenigen Wochen hätte ihr der Tod der Großtante schrecklichen Kummer bereitet. Jetzt war alles anders. Die alte Frau, die sie lange Zeit geliebt hatte, entpuppte sich als Lügnerin. Sie hatte ihr auf tückische Art Informationen entlockt, mit Zwangsheirat gedroht und sie mit einer Erbschaft geködert, die sie vermutlich längst vergeben hatte. Durch Akmes Reaktion auf Livias Botschaft konnte Salome gut nachvollziehen, welches Spiel Akme getrieben hatte. Und dann die undurchsichtige Sache mit dem Mord an Nikolaos …
    Erst jetzt fiel ihr auf, zu welcher Frau sie jahrelang aufgeblickt hatte. Seltsamerweise hatte sie zu ihren Lebzeiten alles ignoriert, was ein Licht auf Akmes wahren Charakter geworfen hatte. Das war ihre eigene Schuld, die Fakten waren immer bekannt gewesen, ja, Akme selbst hatte sie ihr mitgeteilt. Jahrzehntelang hatte diese Frau an der Seite eines Tyrannen gelebt, ohne ihn in seinem Tun zu korrigieren, obwohl sie sich so prächtig auf Manipulation verstand. Wenn sie ihn beeinflusst hatte, dann nur für ihre Zwecke; die Entscheidungen ihres Bruders hatte sie also gutgeheißen. Dafür sprach auch, dass sich seit den Zeiten des tyrannischen Herodes wenig in Judäa geändert hatte. Salome hatte stets aufmerksam zugehört, wenn die Familie sich unterhielt, und sie hatte fast in jedem Gespräch Worte wie Hinrichtung, Widerstand und Niederschlagung aufgeschnappt. Immer wieder wurde von unbelehrbaren Aufrührern gesprochen, von Spitzeln, von Überwachung.
    Salome erinnerte sich nun auch, was ihr Akme selbst damals in der Sänfte prophezeit hatte: Man wird dich verraten. Dir werden sich Menschen entgegenstellen, von denen du das nie geglaubt hättest.
    So war es gekommen. Wie konnte sie nur so blind gewesen sein!
    »Ich glaube, wir haben sie nicht gut gekannt«, sagte Salome. »Niemand von uns. Außer Timon, natürlich.«
    Herodias verdrehte die Augen. »Natürlich.«
    »Bitte, Mutter, er darf nicht bestraft werden. Kannst du da nicht etwas tun? Jetzt hat Coponius das Sagen. Auf dich hört er bestimmt. Ihr versteht euch doch gut.«
    Herodias sah sie entgeistert an. »Wie kommst du denn darauf?«
    Salome

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