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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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deinen Mut, aber …«
    » Cerebrali piemontese’?«
    »Rinderhirn. Halb roh. Eine Delikatesse. Vielleicht probier ich das demnächst auch mal. Obwohl – wenn ich an diese BSE-Skandale denke …«
    Elke rannte raus. Im Bad ging mehrmals hintereinander die Spülung. Die Arme konnte einem wirklich leidtun. Als sie zurückkam, war sie nicht mehr so bleich. Ihre Gesichtsfarbe tendierte jetzt mehr ins Grüne.
    Sie setzte sich mit zitternden Knien hin. »Warum hast du mich nicht davon abgehalten?«
    »Ich bitte dich. Du bist ein erwachsener Mensch. Und du weißt sowieso immer alles besser. Und dann warst du dir mit Aldoini so einig – ich habe doch nur gestört …«
    Elke griff nach ihrer Zigarettenpackung – ließ sie aber sofort, wie von einem Stromschlag getroffen, fallen. Sie sank in sich zusammen.
    »Ich bin ja der Meinung, dass es eher die Zigaretten sind als der Alkohol. Wenn du aufhören würdest zu rauchen, dann könntest du viel mehr trinken, ohne so zu leiden, Elke.«
    »Lass mich in Ruhe!«, zischte sie.
    Schmalenbach ging in den Flur und schlüpfte in seinen Mantel. Die Arbeit rief. Sollte sie doch sehen, wie sie mit ihrem Kater allein fertig wurde.
    »Viel Spaß in der Sauna«, rief er noch.
    Er war schon an der Tür, als sie in den Flur getorkelt kam. Beide Hände wie bei einem Bauchschuss über das Sonnengeflecht geschlagen. »Sauna? Was soll ich in der Sauna?«
    »Du bist doch verabredet. Weißt du nicht mehr?«
    Elke klopfte mit der Faust mehrmals gegen ihre Stirn. Aber es fiel ihr nicht mehr ein.
    »Du wolltest heute mit Aldoino in die Sauna gehen.«
    »Mit diesem Pizza-Casanova? Wie käme ich dazu?«
    »Du hast auf seinem Schoß gesessen, ihn zärtlich Pinocchio genannt und seinen Dreitagebart gekrault.«
    Elke wurde schon wieder übel. Sie musste ins Bad zurück. Die Spülung ratterte wie eine alte Heizung. Da musste Elke jetzt durch. Schmalenbach hoffte, dass es ihr eine Lehre war.
    Gegen Mittag wurde Schmalenbach von einem schweren Reueanfall geschüttelt. Wer gab ihm das Recht, das arme Mädel in solche Nöte zu stürzen? Er raste nach Hause, er wollte sie in den Arm nehmen, ihr sagen, dass er sich das alles ausgedacht hatte und dass sie sich nichts vorwerfen musste – außer vielleicht ein paar geschmacklose Witze über seinen Bauch. Er würde ihr einen Kamillentee machen – und ihr das Versprechen abnehmen, dass sie ihn nie, nie wieder fragen würde: War ich schlimm?
    Elke war nicht da. Auf dem Küchentisch stand eine Flasche Grappa. Halb leer.
    Schmalenbach überlegte fieberhaft. Er rief Carola Pfeifenberger an, vielleicht hatte Elke sich bei der Freundin Rat geholt.
    »Wie konntest du sie nur in diesem Zustand allein lassen?«, schimpfte Carola. »Sie war völlig verzweifelt. Ich habe ihr gesagt: Es gibt nur einen Weg, Aldoino anrufen und absagen. Das hat sie getan. Aldoino wusste übrigens ein wirksames Mittel gegen ihren Kater: damit weitermachen, womit man aufgehört hat. Diese Italiener sind einfach genial. Danach ging’s Elke entschieden besser. Sie hat mich zurückgerufen und mir gesagt, dass sie sich entschlossen habe, Aldoinos Einladung in die Sauna nun doch anzunehmen …«
    Schmalenbach erschrak. »Aber das war doch nur … das war doch bloß Pädagogik.«
    »Das hast du dir selbst zuzuschreiben«, flötete Carola und legte auf.
    Es war schon später Nachmittag, als Elke nach Hause kam. Sie legte sich gleich ins Bett.
    Schmalenbach kochte vor Wut. Irgendwann am späten Abend hörte er im Bad die Spülung rauschen. Dann schlich Elke zum Telefon, wählte eine Nummer und meldete sich mit »Bella«.
    Nach einigem Gekicher fragte sie leise: »Nun sag schon: War ich schlimm?«

Schwarz
     
    Schmalenbach spürte es deutlich: In seinem Leben fehlte etwas. Nicht Sex oder Geld oder Macht oder Ruhm. Nein, es war etwas viel Selbstverständlicheres. Etwas, das ein Mensch in seinem Alter einfach hatte.
    Als er auf dem Weg ins Büro einen Auffahrunfall erlebte, bei dem einer der Fahrer so schwer verletzt wurde, dass die Feuerwehr ihn mit Blaulicht ins Krankenhaus transportieren musste, ging Schmalenbach ein Licht auf. Er besaß keinen schwarzen Anzug.
    Das war es. Er ging auf die Fünfzig zu, und er lebte in einem fest gefügten sozialen Umfeld. Jederzeit konnte jemand aus seiner engsten Umgebung sterben. Und was dann? Das wenigste, was einem zivilisierten Menschen in so einem Fall zu tun blieb, war, den verblichenen Freund auf seinem letzten Weg angemessen zu begleiten.
    In dieser Nacht

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