Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
begann zu eiern. »Wenn ich gewusst hätte, dass du so einen großen Wert auf diesen Eintrag legst, dann hätte ich natürlich …«
Elke lief durch die Küche wie ein Panther durch seinen Käfig. »Ja, ich lege Wert darauf, als mündiger, erwachsener Mensch behandelt zu werden.«
Schmalenbach versuchte es in einem therapeutischen Ton. »Ist es wegen der sexuellen Anrufe? Fühlst du dich etwa deinen Kolleginnen gegenüber zurückgesetzt?«
»Ich bestimme selbst, ob ich erreichbar bin oder nicht, klar?« Elkes Hals schwoll an.
»Ich finde, diese Anrufe werden überschätzt«, behauptete Schmalenbach kleinlaut.
»Du und die weibliche Psyche – das ist wie ein Radfahrer, der über die Steuerung eines Airbusses spekuliert«, schimpfte sie.
Das Telefon klingelte wieder. »Ich geh jetzt ran«, sagte Schmalenbach und erhob sich.
Elke stellte sich ihm in den Weg. »Das tust du nicht!«
Ihre martialische Haltung reizte Schmalenbach zur Überheblichkeit. »Was soll das? Es ist ja sowieso für mich.«
Er wollte an ihr vorbei, doch sie hielt ihn fest. »Zuerst sagst du, was du bei dieser Umfrage geantwortet hast? Wen würdest du wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?«
Schmalenbach wusste nicht, wieso, aber er zierte sich.
»Warum ist das so wichtig?«
Elke schrie ihm ins Gesicht: »Weil du demoskopisch gesehen auch für mich geantwortet hast – allerdings ohne meine ausdrückliche Billigung. Ein Skandal!«
Das Telefon klingelte wieder.
»Ist doch egal, was bei so einer Umfrage geantwortet wird …«
Elke tobte. »Von wegen. Diese Umfrageergebnisse werden veröffentlicht, und ein Teil der Bevölkerung orientiert sich bei der Wahlentscheidung daran.«
»Ich wusste ja nicht, dass du dich so brennend für Politik interessierst.« Das Telefon klingelte wieder. »Sicher machen sie sich im Büro Sorgen, dass mir was passiert sein könnte.«
»Sag, welche Partei!«
»Nein. Es ist mein gutes Recht, meine politische Entscheidung für mich zu behalten.«
»Du hast in meinem Namen gestimmt. Ich gehe damit bis nach Kassel.«
»Was willst du damit in Kassel?«, fragte Schmalenbach.
»Zum Bundesverfassungsgericht. Das wird hohe Wellen schlagen …«
Das Telefon klingelte nicht mehr.
»Ich muss jetzt ins Büro«, sagte Schmalenbach und floh.
Als er auf die Straße trat, wusste er plötzlich nicht mehr, wo er am Vorabend seinen Wagen abgestellt hatte. Das kam öfter vor. Die Suche konnte Tage dauern.
Er war kaum im Büro, da klingelte das Telefon. Pfeifenberger. Unanständig gut gelaunt. »Kannst du mir heute Abend deinen Wagen leihen?«
»Ich weiß nicht mehr, wo ich ihn gestern Abend abgestellt habe. Aber das ist noch nicht alles«, sagte Schmalenbach und erzählte ihm von dem tiefen Zerwürfnis mit Elke. »Bis zur nächsten Ausgabe des Telefonbuches wird sie mich quälen.«
Pfeifenberger hatte eine patente Idee. »Du und ich, wir wissen doch, worum es geht: Elke gibt dir die Schuld dafür, dass sie noch nie telefonisch belästigt wurde. Die Sache ist ausgestanden, wenn es denn passiert. Also müssen wir es arrangieren. Ich bin eigentlich nicht der Typ für so was, aber dir zuliebe …«
»Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich Wert darauf legt.«
»Natürlich legt sie keinen Wert darauf, keine vernünftige Frau tut das. Mein Anruf soll ihr nur zeigen, dass sie telefonisch durchaus eine eigenständige Existenz führt.«
Schmalenbach war die Sache trotzdem nicht geheuer.
»Elke ist anspruchsvoll, da reicht es nicht, anzurufen und ein paar Schweinereien ins Telefon zu hauchen.«
»Lass mich nur machen!«, sagte Pfeifenberger selbstbewusst und legte auf.
Auf dem Nachhauseweg kaufte Schmalenbach eine Flasche Prosecco. Für die Versöhnung.
Elke sprach an diesem Abend wenig, auf Schmalenbachs Konversationsversuche reagierte sie gereizt. Um zehn vor acht läutete das Telefon. Pfeifenberger, der Hasardeur!
»Dein Telefon läutet«, sagte Elke spitz, als Schmalenbach nicht ranging.
Schmalenbach konnte es nicht unterlassen, beschwingt zu flöten: »Sicher für dich.«
Doch Elke dachte nicht daran abzuheben. Glücklicherweise hatte Pfeifenberger den langen Atem, den ein solches Kommandounternehmen erforderte: Er ließ es klingeln.
»In Zukunft werde ich mich übrigens nicht mehr an der Telefonrechnung beteiligen. Offiziell bin ich ja gar kein Fernsprechteilnehmer«, erklärte Elke bitter.
Das Telefon klingelte. »Wahrscheinlich wieder dieses Meinungsforschungsinstitut«, seufzte Schmalenbach. »Du
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