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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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den Einfall hatte.«
    »Welchen Einfall?«
    »Den zu dem Paradigmenwechsel!«
    »Schmalenbach, ich fürchte, du machst dir da was vor. Und mein Taxifahrer klingelt gerade Sturm. Also, ich würde sagen, du vergisst die Angelegenheit, bis ich aus Okinawa zurück bin. Mach’s gut! War nett, dass du an mich gedacht hast.«
    »Es geht nicht um irgendeine Marotte, Manderscheid. Es geht um die geistesgeschichtlich wichtigste Verwerfung dieses Jahrhunderts. Zumindest in Deutschland.«
    Manderscheid räusperte sich. Doch dann brach es aus ihm heraus: »Es hat damit zu tun, dass Pfeifenberger nicht dabei ist. Was ist ein Paradigmenwechsel ohne Pfeifenberger?«
    »Das meinst du nicht ernst, Manderscheid. Ausgerechnet Pfeifenberger! Wenn ich mir überlege, wen ich bei einem Paradigmenwechsel nicht dabei haben will, dann fällt mir Pfeifenberger zuallererst ein. Fehlt nur noch Germersheimer …«
    »Warum eigentlich nicht? Ihr drei seid doch sonst so dicke.«
    Schmalenbach wurde sehr ernst. »Wir sind gute Freunde, das stimmt. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich verpflichtet bin, die beiden auch bei meinem Paradigmenwechsel mitzuschleppen. Germersheimer und Pfeifenberger – das muss ich deutlich sagen – sind keine Intellektuellen. Schließlich geht es um die Neudefinition unserer geistigen Heimat.«
    Das Hupen des Taxifahrers vor Manderscheids Tür schien sich stetig zu entfernen – in Richtung St. Moritz.
    »Hör mal, Schmalenbach, dein Intellekt in allen Ehren, aber bei wie vielen Paradigmenwechseln warst du denn schon dabei?«, fragte Manderscheid.
    Das brachte Schmalenbach in Verlegenheit, denn dieser Paradigmenwechsel war sein erster.
    »Wenn du ehrlich bist, Schmalenbach, musst du eingestehen, dass du relativ wenig Erfahrung in diesen Dingen hast. Ich aber sage dir, ein Paradigmenwechsel ist eine Angelegenheit der Allgemeinheit. Das betrifft nicht nur die intellektuelle Elite. Ein Paradigmenwechsel, der diesen Namen verdient, verändert schlagartig die geistige Atmosphäre des Landes.« Das Hupen des Taxifahrers schien sich – aus Richtung St. Moritz kommend – wieder zu nähern. »Wenn wir den Paradigmenwechsel wirklich wollen, brauchen wir breite Unterstützung aus allen Bevölkerungsschichten. Das heißt, wir können nicht auf einen erfolglosen Literaten wie Germersheimer verzichten, denn er bringt alle erfolglosen Literaten auf unsere Seite. Und erst recht können wir nicht auf einen Hochstapler wie Pfeifenberger verzichten, denn auf Hochstapler hören die Leute eher als auf grüblerische Charaktere wie dich.«
    Schmalenbach dachte nicht im Traum daran, Germersheimer an seinem Paradigmenwechsel zu beteiligen. Und noch weniger würde er Pfeifenberger etwas davon sagen, bevor es auf den ersten Seiten der großen Feuilletons verkündet wurde. Wenn er nämlich Pfeifenberger einbezog, dann dauerte es keine drei Biere, und aus Schmalenbachs mühsam erarbeitetem Paradigmenwechsel war unter der Hand Pfeifenbergers grandioser Fun-Paradigmenwechsel geworden.
    Aber Manderscheid war noch nicht fertig. »Wenn’s wirklich was werden soll, Schmalenbach, brauchen wir publikumswirksame Multiplikatoren.«
    »Worauf willst du hinaus, Manderscheid?«, fragte Schmalenbach etwas kraftlos.
    »Ohne die Bodybuilderin aus Darmstadt haben wir keine Chance.«
    Zum ersten Mal spürte Schmalenbach, wie eine epochale Idee, die das geistige Leben von Grund auf revolutionieren könnte, unter der Hand zu einer Farce abgeschliffen wurde.
    »Meinst du, die Bodybuilderin aus Darmstadt geht mal mit mir essen?«, fragte Manderscheid. »Ich meine, um in Ruhe die populären Implikationen deines Paradigmenwechsels durchzusprechen. Schließlich müssen wir unsere Leute anständig coachen.«
    Schmalenbach war angewidert, riss sich aber zusammen. »Warum nicht? Sie geht ja auch mit Pfeifenberger in die Sauna.«
    Manderscheids Stimme überschlug sich. »Die Bodybuilderin geht mit Pfeifenberger, mit dieser Pflaume, in die Sauna?«
    »Seit Jahren. Und wenn Pfeifenberger genug Biere intus hat, erzählt er jedem, wie sie sich ohne Tanga macht.«
    Manderscheid wurde ernst. »Ich glaube, du hast Recht: Auf Pfeifenberger sollten wir verzichten. Der Typ ist doch eine Belastung für jeden anständigen Paradigmenwechsel.«
    In diesem Augenblick klopfte es in der Leitung an, eine unselige Neuerung, die der generelle Paradigmenwechsel hinwegfegen würde wie eine anachronistische Fortbewegungstechnik. Schmalenbach entschuldigte sich bei Manderscheid und drückte

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