Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
hieß: Die Krönung des Abends würde es zu Hause geben …
»Die Rechnung bitte!« Die wurde im ›Maothai‹ zwischen zwei Ananasblättern gereicht. Und sie war ziemlich saftig. »Und?«, fragte Elke mit einem unschuldigen Augenaufschlag. »Teuer?«
Schmalenbach gab fünf Euro Trinkgeld. Fünf Euro – das waren fast zehn Mark. Die Bedienung dankte ihm diese Grandezza mit einer tiefen siamesischen Verbeugung.
»Übrigens«, vermerkte Schmalenbach en passant. »Das Mineralwasser. Sie haben aus Versehen sieben Euro berechnet.«
»Sie hatten Pellegrino. Das kostet sieben Euro.«
Schmalenbach lächelte immer noch. »Sie verstehen unsere Sprache nicht. Sieben Euro für eine Flasche Wasser ist Unsinn.«
Die Bedienung brachte die Speisekarte und zeigte ihm den Posten. Sieben Euro. »Das ist ja die Höhe!«, schimpfte Schmalenbach. Die Bedienung lächelte.
Schmalenbach verlangte den Geschäftsführer. Doch der bestätigte den Preis.
Schmalenbach wurde lauter. »Das ist Nepp. Da muss das Aufsichtsamt einschreiten.«
Die anderen Gäste steckten die Köpfe zusammen. Elke zupfte ihn nervös am Ärmel. »Ich zahle die sieben Euro aus meiner Tasche«, flüsterte sie. »Wie kannst du mich so blamieren?«
»Wie kannst du eine Flasche Klickerwasser für sieben Euro bestellen? Andere Frauen ernähren mit sieben Euro einen Tag lang ihre Familie. Aber Madame muss ja auf den Natriumgehalt achten. Früher gab es in guten Restaurants Wasser aus der Leitung, deshalb waren die Leute damals gesünder und konnten sich schon mit vierzig ein Eigenheim leisten. Wir wohnen noch mit achtzig zur Miete, weil du dieses Pellegrino säufst.«
An der ersten roten Ampel stieg Elke aus. Ohne sich für die großzügige Einladung zu bedanken. So war sie. Sie konnte eben nicht damit umgehen, dass Schmalenbach einen anderen Lebensstil hatte als sie, dass er großzügiger war. Aus der Krönung im Bett wurde auch nichts. Schmalenbach schaute bis drei Uhr S-Bahn-Filme und betrank sich mit Dosenbier. Elke kam erst gegen sechs nach Hause, ziemlich derangiert. Sicher war dieses natriumarme Pellegrino schuld.
Wiesbaden
Pfeifenberger war an Wochenenden nicht aufzufinden. Selbst die Bodybuilderin aus Darmstadt konnte nicht sagen, wo er sich aufhielt. Erst eine intensive Befragung von Carola Pfeifenberger durch Elke bei einem zufälligen Treff auf der Zeil brachte Aufschluss über das geheimnisvolle Verschwinden Pfeifenbergers.
Schmalenbach erinnerte sich noch gut an den denkwürdigen Nachmittag, an dem Elke in sein Büro in der Werbeagentur schlüpfte, die Tür hinter sich abschloss, die Rouleaus herunterließ, fünf dicke Einkaufstüten auf Schmalenbachs Textentwürfen abstellte, sich auf einem Sessel niederließ und atemlos verkündete: »Sie haben was gekauft. In der Rhön.«
»Wer hat was gekauft?«
»Pfeifenberger und seine hochgestochene Alte.«
»Seit wann ist Carola hochgestochen?«, fragte Schmalenbach, den der Chefin zehn Minuten mit einem neuen Werbetext für die Tütensuppe Frauenlob erwartete.
»Seit sie in der Rhön was gekauft haben, das neureiche Pack.«
»Was denn?«
»Was wohl, du Simpel? Ein Wochenendhaus natürlich. Angeblich im oberhessischen Landhausstil. Was Carola Pfeifenberger so oberhessischen Landhausstil nennt, ist wahrscheinlich nichts anderes als ein ehemaliger Schweinekoben mit drangebauter Wellblechgarage.«
Schmalenbach kannte diesen nervösen, bitteren Ton bei Elke. Er hielt tapfer dagegen: »Gut, dass wir nicht so spießig sind. Gut, dass wir unsere Wochenenden lieber mit Kultur oder guten Büchern zu Hause verbringen als in der Rhön.«
Und wirklich, Schmalenbachs Beschwörung schien zu fruchten: Elke lehnte sich etwas zurück, streckte die Beine aus, atmete durch und stieß einen Befreiungsschrei hervor: »Nein, wir nicht.«
Schmalenbach wollte sich schon wieder seiner beruflichen Verpflichtung widmen, als Elke sich aufbäumte und eine fremde Stimme aus ihrem Mund sprach: »Niemals würden wir uns in die Rhön zurückziehen, niemals würden wir uns auf ländliches Niveau herablassen. Das habe ich wortwörtlich Carola Pfeifenberger gesagt, als sie mir vorschwärmte von der Ruhe in Rambach und von der Gradlinigkeit der Rambacher und von der Luft und dem ewigen Rhythmus des dörflichen Lebens. Stell dir vor: Ihre Neurodermitis ist wie weggeblasen, und Pfeifenberger hackt mit freiem Oberkörper Holz! Sie gehen abends um zehn ins Bett, und Pfeifenberger springt um fünf auf, mit den Hühnern
Weitere Kostenlose Bücher