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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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aneinander vorbei, ist dir das schon mal aufgefallen?«
    Schmalenbach dachte nach. Mit Pfeifenberger ging in den letzten Tagen wirklich etwas vor sich. Pfeifenberger hatte sich verändert, er war insgesamt zielstrebiger geworden, zupackender – einfach kraftvoller. Ja, jetzt, wo er die Hintergründe kannte, fiel es Schmalenbach auf. Und der Freund hatte es nicht für nötig befunden, auch nur ein einziges Wort über die epochale Metamorphose zu verlieren, die er gerade durchmachte.
    Schmalenbach war alarmiert. »Weißt du, was wir heute Abend machen? Wir schauen uns den neuen Bruce-Willis-Film an«, gab er bekannt.
    »Wenn du unbedingt willst …«, sagte Elke unterwürfig und schlug vor so viel männlicher Entschlossenheit die Augen nieder.
    Schmalenbach war sicher, dass der Kinobesuch einen pädagogischen Effekt haben würde. Selbst ein Kindskopf wie Elke musste bemerken, welche niederen Instinkte diese US-Massenprodukte ansprachen. Danach würde sie sich für ihre pubertäre Sensationsgier schämen. Und Pfeifenberger würde Schmalenbach sich auch zur Brust nehmen …
    Natürlich lief der neue Bruce-Willis-Film im größten Kino der Stadt.
    »Mir tun die Augen weh«, beschwerte Elke sich schon nach wenigen Minuten. »Wahrscheinlich bin ich Kino nach so vielen Jahren nicht mehr gewöhnt.«
    »Die Projektion ist unscharf.«
    Elke kniff die Augen zusammen. Dann nahm sie Schmalenbachs Hand. »Genieß einfach den Film! Siehst du, er läuft schon im T-Shirt rum. Gleich zieht er es aus. Wie aufregend! Und diese Unschärfe – vielleicht ist das ein Stilmittel?«
    »Quatsch!«, schimpfte Schmalenbach. »Stilmittel kennen die in Hollywood gar nicht.«
    »Es wird sicher gleich besser«, flüsterte Elke. »Hast du eine Ahnung, warum Bruce Willis diesem unsympathischen Kerl in den Bauch getreten hat?«
    »Vielleicht konnten sie sich nicht über eine Filmkritik einigen …«
    »Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass der unsympathische Kerl die Frau von Bruce Willis erst vergewaltigt und sie dann in ihrem Wagen den Abhang hinuntergestoßen hat.«
    »Siehst du, das habe ich gar nicht mitbekommen.«
    »Weil du unentwegt redest, Schmalenbach.«
    »Nein, weil die Projektion unscharf ist.«
    Elke knipste ihre Handtasche auf und setzte ihm die Brille auf. »Immer noch?«
    »Natürlich. Bruce Willis sieht aus wie Peter Frankenfeld.«
    Hinten zischte jemand: »Ruhe da vorne!« Schmalenbach machte sich ganz klein.
    Nachdem er den Kopf des unsympathischen Kerls, der seine Frau erst vergewaltigt und dann den Abhang hinuntergestürzt hatte, mehrmals gegen die Wand geknallt hatte, musste Bruce Willis duschen.
    Elke begann unruhig in ihrem Sessel zu rutschen. »Ich finde, der Film setzt doch sehr auf sensible Zwischentöne. Man spürt, was in Bruce Willis vorgeht – nach diesen tragischen Vorgängen um seine Frau.«
    Das Bad war voller Wasserdampf. »Ich kann nichts sehen«, sagte Schmalenbach.
    »Du musst dich etwas anstrengen. Das ist ja kein Porno, das ist ein Kunstfilm.«
    »Unscharf!«, schrie Schmalenbach, so laut er konnte.
    Hinten gröhlte die Meute vor Vergnügen.
    »Ich glaube, heutzutage gibt es keine Vorführer mehr. Alles geht vollautomatisch«, flüsterte Elke.
    Schmalenbach hatte genug. Immerhin hatte er 24 Euro Eintritt gezahlt. »Das wollen wir doch mal sehen.«
    Er stolzierte an den hinteren Rängen vorbei, von denen aus Halbwüchsige mit leeren Popcorn-Tüten nach ihm warfen, zum Ausgang.
    In der Vorführerkabine blinkte eine Computerkonsole. Keine Menschenseele war zu sehen. Schmalenbach beugte sich über die Regler. Die Sache erschien ihm recht plausibel. Er schob einen Schieber und drückte einen Knopf. Im Kinosaal schrien Menschen wie auf der Titanic.
    Schmalenbach flüchtete ins Foyer. Eine Kassiererin zeigte ihm den Weg zum Vorführer. Der bediente gerade einen Projektor in Kino 17.
    »Bruce Willis ist unscharf«, fuhr Schmalenbach ihn an.
    »Und Sie doktern hier rum.«
    Der graue Mann sah ihn traurig an. »Bruce Willis? Wer ist das?«
    »Der Mann in Kino 1.«
    »Der, dessen Frau vergewaltigt und dann mit dem Wagen in den Abgrund gestürzt wird?«
    »Natürlich. Es gibt nur einen Bruce Willis.«
    »Düstere Geschichte. Ich habe den Film leider nie bis zum Ende sehen können. Nie über die Badezimmerszene hinaus …«
    »Da sind wir beim Thema, die Badezimmerszene – sie ist völlig unscharf. Man sieht nichts. Meine Frau ist schon ganz ungehalten.«
    »Bei der Badezimmerszene, na ja, da bin ich immer schon in

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