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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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mit dieser bescheuerten Helikopter-Story schleichen Sie sich bei ahnungslosen Leuten ein.«
    Hutmacher schaute ihn lange an, durchdringend und ein wenig traurig. Dann sagte er leise: »Glauben Sie wirklich, das habe ich nötig? Noch nie hat mich jemand als Vertreter für Kachelöfen bezeichnet. Und ich reise schon seit fünfundzwanzig Jahren durchs Land. Noch nie, hören Sie!«
    »Er hat es nicht so gemeint«, beschwichtigte Elke.
    Hutmacher schniefte. »Gnädige Frau haben wenigstens Stil. Heutzutage kommt keine junge Familie mehr ohne eine Luftbildaufnahme ihres Heims aus. Die Hausfrau schaut beim Abstauben auf die Aufnahme, atmet durch und weiß plötzlich wieder, was der Sinn ihres Daseins ist.«
    Damit war er bei Elke an der richtigen Adresse. »Was heißt, junge Familie? Und was meinen Sie mit: Abstauben? Was, frage ich Sie, soll der Sinn meines Daseins mit Abstauben zu tun haben?«
    Hutmacher schnappte nach Luft. »Das waren doch bloß … Metaphern.«
    »Metaphern? So! Das macht die Sache ja noch schlimmer.«
    Zum ersten Mal wirkte Hutmacher hilflos. Er schaute flehend zu Schmalenbach herüber, doch der gönnte dem unverschämten Eindringling die Niederlage.
    »Vielleicht wissen gnädige Frau nicht so recht, was eine Metapher ist?«, wandte Hutmacher sich wieder an Elke.
    Schmalenbach triumphierte innerlich, das war das nächste Eigentor.
    »Das ist ja der Gipfel der Unverschämtheit«, fauchte Elke.
    Auf Hutmachers hoher Stirn perlten winzige Schweißtropfen, er zog ein zusammengefaltetes Kavalierstüchlein aus seinem Goretex-Anorak und tupfte sorgsam wie eine erfahrene OP-Schwester seinen Schädel trocken.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Schmalenbach böse.
    Hutmacher wirkte gehetzt. »Nein, es geht schon. Es ist nur, auch ich habe Verpflichtungen, eine nette Ehefrau, Kinderchen, ein Eigenheim, das längst nicht abbezahlt ist …«
    Schmalenbach fühlte sich in Höchstform. »Verstehe. Aber deswegen können wir Ihnen doch nicht einfach einen Kachelofen abkaufen.«
    Hutmacher musste sich setzen, der wasserabweisende Anorak warf kantige Falten wie ein Raumanzug. Er betonte jedes Wort einzeln. »Ich verkaufe keine Kachelöfen. Ich bin staatlich geprüfter Helikopter-Pilot und fliege sogar über Wohngebiete. Seit zehn Jahren absturzfrei. Darauf lege ich Wert.«
    Elke schien die Angelegenheit langweilig zu werden. In zehn Minuten begann ihre Lieblingstalkshow.
    »Dann zeigen Sie uns doch einfach Ihre Fotos!«, drängte sie.
    Mit Hutmacher ging eine Veränderung vor: Der schmächtige Mann, der eben noch mit seinem Schicksal gehadert hatte, straffte sich, der wasserabweisende Anorak schien dem durch jahrelanges Klinkenputzen strapazierten Ego Hutmachers wieder Halt zu verleihen. Hutmacher präsentierte seine Fotogalerie in tadelloser Haltung.
    »Wenn gnädige Frau ein besonderes Augenmerk auf die geschmackvollen Rahmen legen würden …«
    Es handelte sich um billige Imitationen barocker Rahmen, wie man sie auf Flohmärkten findet. »Schick«, sagte Elke tonlos. »Nicht wahr, Schmalenbach?«
    Schmalenbach spürte plötzlich Mitleid mit Hutmacher – wie ihm das oft bei Menschen passiert, die ihr Geld hart und unter allerlei Verrenkungen des Rückgrats verdienen müssen.
    »Ja, nicht übel«, murmelte er.
    Das verstand Hutmacher als Ermunterung. »Wir achten sehr auf die geschmackvolle Verarbeitung unseres Produktes, müssen Sie wissen. Die Kundschaft lohnt es uns.«
    Schmalenbach fand, dass Hutmacher langsam wieder einen Dämpfer verdiente. »Für uns kommt allerdings ein barocker Zierrahmen nicht in Frage. Ich hoffe, Sie führen auch Rahmen im klassischen Bauhausstil. Wenn nicht, sehe ich keine Chance, dass wir ins Gespräch kommen. Ein gewisser ästhetischer Standard ist für uns einfach das Nonplusultra, nicht wahr, Schatz?«
    »Unbedingt! Drunter tun wir’s nicht«, bekräftigte Elke.
    Hutmacher starrte die beiden fassungslos an, dann stammelte er: »Klassischer Bauhausstil?«
    »Genau«, bestätigte Schmalenbach. »Zur Not würden wir auch was Venezianisches akzeptieren …«
    Hutmacher nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Ich sage immer: Das, was zählt, ist der Inhalt.«
    »Trotzdem!«, beharrte Schmalenbach. »So ein Kitschrahmen kommt nicht in Frage.«
    Hutmacher hatte eine Idee. »Kein Problem. Wir liefern die Ware auch ohne Rahmen. Das kostet Sie sogar etwas weniger. Was halten Sie davon?«
    »Und wie sollen wir das Teil dann an die Wand hängen?«, warf Elke ein. »Mit Reißzwecken? Sie, Sie sind hier

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