Die Schlüssel zum Königreich 03 - Kalter Mittwoch.epub
Rumpf immer mehr, Arme und Beine dagegen entwickelten sich zurück.
»Wohin hat Fieberauge das Vermächtnis gebracht?«, rief Arthur. Er rückte noch weiter von dieser rasenden Fressmaschine ab und warf Morgengrauen ängstliche Blicke zu, aber die machte keine Anstalten, ihre Flucht einzuleiten.
»Aaarrch hamm hamp äh«, gurgelte und spuckte Mittwoch, wobei ihr verbogene Silberstücke aus dem Rachen fielen. »Weiß nicht! Die Piraten haben einen geheimen Hafen. Ich weiß, dass er sich in meiner Grenzsee befindet, das spüre ich in meinen Gedärmen! Aber ich kann ihn nicht finden. Ihr müsst es! Und jetzt lauft! Lauft!«
Sie wandte sich den letzten paar Metern der Tafel zu und verschlang die aufgetürmten Speisen mit einem einzigen Bissen. Dann drehte sie sich zu Arthur um und glitt aufs Deck – eine gewaltige, schwabbelige Walze, die noch nicht Wal, aber auch nicht mehr menschlich war; ihre verkümmerten Arme und Beine zuckten, das ungeheure Maul schmatzte, und die Hornplatten darin, die einmal Zähne gewesen waren, klapperten scheußlich.
Arthur befand sich nicht mehr auf dem Deck. Er hatte den Großmast schon zur Hälfte erklommen, wobei er praktisch von Webeleine zu Webeleine gesprungen war. Er kletterte so schnell, dass er es bis zur Dwarssaling schaffte und gerade auf die kleine Plattform dort stieg, als Morgengrauen ihn einholte und abpflückte und mit in die Luft nahm.
Unter ihnen fuhr Mittwoch fort zu wachsen, wälzte sich in ihrem Hunger auf dem Deck hin und her, drosch mit dem Schwanz darauf ein und biss in die Planken, bis Deck und Kiel unter ihr einstürzten und das Schiff auf den Meeresgrund sank.
Morgengrauen vergeudete keine Zeit, um Arthur noch einen Blick auf Mittwochs Verwandlung zu gönnen. Sie flog mit schnellen, kräftigen Flügelschlägen vom Ort des Geschehens weg und gewann rasch an Höhe und Geschwindigkeit. Arthur brauchte einen Augenblick, bis ihm klar wurde, dass sie vielleicht gar nicht mehr entkommen konnten; dass Morgengrauen bis an die Grenzen ihrer Kraft ging, um vor Mittwochs bemerkenswertem Wachstum und noch bemerkenswerterem Hunger zu fliehen.
Eine Zeit lang sprach keiner von ihnen, bis sie endlich doch außer Reichweite ihres gierigem Schlunds gelangt waren.
»Wohin möchtet Ihr gebracht werden?«, fragte Morgengrauen. »Ich werde mein Versprechen halten und Euch an einen sicheren Ort tragen, wenn das Euer Wunsch ist.«
K APITEL F ÜNFZEHN
A rthur antwortete nicht sofort. Er spürte, dass er an einem wichtigen Scheideweg stand, und die Wahl, die er jetzt traf, würde nicht nur sein Schicksal, sondern auch das vieler anderer bestimmen.
»Wenn Sicherheit Euer vorrangiges Anliegen ist«, fuhr Morgengrauen fort, »dann muss ich Euch nach Mittwochshafen bringen. Das ist der einzige Ort in der Grenzsee, wo es Aufzüge gibt, die Euch zu anderen Plätzen im Haus bringen können oder wohin immer Ihr möchtet.«
Arthur schwieg und dachte darüber nach. Es wäre so einfach, nach Mittwochshafen zu gehen, einen Aufzug ins Untere Haus zu nehmen und dann durch den Vordereingang oder via Sieben Zifferblätter nach Hause zu laufen. Damit würde er einer sicheren Reiseroute folgen. Aber tief im Inneren spürte er, dass es für ihn keine sicheren Routen mehr gab. Nicht auf lange Sicht.
»Wie weit sind wir vom Tripel entfernt?«, erkundigte er sich.
»Eine halbe Tagesreise, wenn wir einen Ozean in den Sekundären Reichen nehmen«, antwortete Morgengrauen. »Oder eine Woche und mehr, wenn wir uns nur innerhalb des Hauses bewegen. Mittwochshafen liegt sogar noch näher, nur ein paar Stunden weit weg über ein Meer der Sekundären Reiche. Am Tripel selbst gibt es nichts von Interesse für Euch.«
»Aber meine Freundin Blatt ist dort und einige Erhobene Ratten. Haben Sie die schon einmal gebeten, den geheimen Hafen der Piraten für Sie ausfindig zu machen?«, fragte Arthur.
»Nein«, meinte Morgengrauen. »Wir geben uns nicht mit Ratten ab. Mylady wünschte sie aus der Grenzsee zu verbannen, aber sie besitzen einen von der Architektin persönlich ausgestellten Freibrief, der ihnen gestattet, im Haus herumzustreifen, wo immer sie wollen. Was um alles in den Reichen wollt Ihr denn von den Erhobenen Ratten?«
»Sie sind Experten im Suchen und Finden«, erwiderte Arthur und dachte an die Begegnung zwischen Blatt und dem Kommodore, die er im Spiegel miterlebt hatte. »Zumindest behaupten sie das von sich.«
»Sie sind Prahler, und man kann ihnen nicht trauen«, schnaubte Morgengrauen
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