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Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Titel: Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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sehen.
    »Bitte sehen Sie durch diese Brille«, forderte Blatt die alte Dame auf. »Aber machen Sie sich auf etwas gefasst!«
    »Ich bezweifle, dass ich durch diese Gläser überhaupt etwas sehen werde«, meinte Sylvie, als Blatt ihr die Brille reichte. »Sie sind ja voller Sprünge!«
    »Sie werden etwas sehen, und anschließend werde ich Ihnen alles erklären.« Blatt verzog das Gesicht, als der Schmerz wieder durch ihren Kopf schoss. Er fühlte sich nur vollkommen anders an, so als ob sich im Inneren ihres Schädels ein eigenartiger Druck aufbaute, wie bei einer Migräne, aber an den falschen Stellen.
    Der Pilz! Er muss schon in meinen Kopf vorgedrungen sein!
    »Ich kann wirklich überhaupt nichts sehen«, sagte Sylvie. Sie hatte die Brille auf, schaute aber nicht aus dem Fenster.
    »Durchs Fenster«, drängte Blatt, aber plötzlich fühlte sie sich unsicher und verzweifelt.
    Was, wenn Doktor Scamandros’ Brille nur bei ihr funktionierte?

Kapitel Dreizehn
     
     
    Leutnant Krähe ließ sein Perspektiv sinken und rieb sich das rechte Auge; er hatte schon eine wunde Stelle, wo er das Fernrohr aufsetzte. Einen ganzen Nachmittag lang hatten er und seine Grenzer die feindliche Kolonne beobachtet und gezählt, während sie durch den Pass vorrückte.
    »Fügt noch fünftausend hinzu«, wies Krähe seinen Feldwebel an, der die Zahl der Nichtlinge mittels einer Strichliste in seinem Notizbuch festhielt. »Von den normalen Nichtlingen, in Einheiten zu jeweils eintausend.«
    »Das macht heute mehr als sechsundzwanzigtausend, Sir«, informierte ihn der Feldwebel. »Alle auf der einen Platte.«
    »Laut Plan bewegt sie sich bei Sonnenuntergang nach Osten und Norden«, sagte Krähe und klopfte auf die Ephemeride in seiner Tasche. »Wird noch ein paar mehr von ihnen aus dem Weg schaffen.«
    »Es müssen mittlerweile eine Million sein«, sagte der Feldwebel ruhig. »Was passiert, wenn jede Platte mit Nichtlingen voll ist? Dann hat es keinen Sinn mehr, sie hin und her zu schieben.«
    »Das ist defätistisches Gerede, Feldwebel, und das dulde ich nicht«, wies Krähe seinen Untergebenen barsch zurecht. »Es sind ohnehin noch jede Menge Platten leer; die Invasion der Nichtlinge wird äußerst effektiv aufgesplittert. Wie immer ist die tektonische Strategie erfolgreich. Und mir ist zu Ohren gekommen, dass das Zweite Bataillon des Regiments gestern eine weitere Schlacht gewonnen hat.«
    Krähe verschwieg allerdings, dass die XIXte Kohorte der Legion am Tag vor diesem Sieg nur mit knapper Not einer Niederlage entkommen war. Die Streitkräfte der Nichtlinge wurden zwar bei jedem Sonnenuntergang aufgesplittert, wenn die Platten sie wegtransportierten, aber es gab viele Platten, auf denen sich sehr große Heere befanden. Manchmal mussten diese Platten geräumt oder wieder eingenommen werden, wenn sie dem GHQ oder einer anderen unbeweglichen Stellung zu nahe kamen.
    Es war jetzt sechs Wochen her, seit Krähe mit seinen Soldaten die Grenzfeste verlassen hatte. Sie war nun in der Hand der Nichtlinge. Oberst Nage war zusammen mit seiner gesamten Garnison getötet worden, doch war es ihm gelungen, den Schaltraum zwölf Stunden lang zu halten, sodass die Tore geschlossen werden konnten – allerdings erst, nachdem vier- bis fünfhunderttausend Nichtlinge sie passiert hatten. Und dann, einen Monat darauf, waren die Tore irgendwie wieder geöffnet worden, obwohl das immer als unmöglich gegolten hatte. Zehntausende weiterer Nichtlinge waren einmarschiert.
    Doch wie Krähe seinem Feldwebel versichert hatte, bewährte sich die altehrwürdige tektonische Strategie. Mit den bei jedem Sonnenuntergang wandernden Platten und einem Feind, der dadurch seine Kräfte nicht bündeln konnte, war es der Armee möglich, die Nichtlinge stückchenweise zu bekämpfen und die meisten Aufeinandertreffen für sich zu entscheiden.
    Das schien aber Sir Donnerstag noch nicht zu reichen, hatte Krähe gehört. Es wurde erzählt, dass er, der schon in seinen besten Momenten nicht ausgeglichen war, noch gereizter als üblich reagiert hatte. Anscheinend war er sogar Marschall Morgengrauen gegenüber in Wut geraten und hatte sie ernsthaft verletzt, nachdem sie irgendeinen Aspekt des Vorgehens gegen die beispiellose Invasion und auch überhaupt die Klugheit der Entscheidung, den Feldzug so radikal und kurzfristig zu ändern, in Frage gestellt hatte.
    Krähe sinnierte, dass Morgengrauen natürlich recht gehabt hatte. Es war schon sehr merkwürdig, dass der Plan nur Stunden vor

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