Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Titel: Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
zusammensaßen, kamen sie unausweichlich auf ihr früheres Leben zu sprechen. Helios saß dann immer stumm da und hörte gespannt zu, stets in der Hoffnung, dass irgendein Detail aus dem Leben eines anderen einen Funken Erinnerung an sein eigenes entzünden mochte.
    Es tat weh, wenn die anderen in Erinnerungen schwelgten, doch dieser Schmerz ließ im selben Maß nach wie ihre täglich knapper werdende Freizeit. Aus unerfindlichem Grund war das normale Ausbildungspensum, bald nachdem man sie zwischen den Ohren gewaschen hatte, erhöht worden, und kurz darauf wurde es noch einmal erhöht. Anfangs hatten die Rekruten in der Nacht sechs Stunden und tagsüber zwei Stunden frei. Dann wurden die nächtlichen Freistunden auf fünf und dann sogar auf vier beschnitten, und selbst die waren vor Unterbrechungen nicht sicher.
    Die Ausbildung war intensiv gewesen. Helios und Fred wussten jetzt recht gut zu marschieren, sei es mit ihrem Zug oder einer größeren Formation, sei es unbewaffnet oder unter Ausführung grundlegender Übungen mit einer Vielfalt von Waffen, darunter Streitäxte mit Räderwerk, Musketen mit Nichtspulver, explosive Hellebarden, Muskelfaser-Langbogen, Barbarenschwert und Rundschild, Energiespeere und blitzgeladene Krummsäbel. Sie waren mit den siebzehn Formen des Salutierens vertraut und kannten die achtunddreißig Ehrentitel, die in der Armee benutzt wurden.
    Sie waren auch in der Lage, die Waffen, mit denen sie exerzierten, zu benutzen, und konnten sie pflegen, ohne ihre Kameraden dabei zu verletzen. Sie brachten es zuwege, sich in den wesentlichen Uniformen der Haupteinheiten zu präsentieren, wenn auch nie zur völligen Zufriedenheit ihres Feldwebels. Sie hatten gelernt, Befehle zuerst einmal zu befolgen und erst anschließend darüber nachzudenken.
    Sie waren im Begriff, Soldaten zu werden.
    »Eigentlich müsstest du dich einfacher erinnern«, wunderte sich Fred. »Immerhin hast du diesen Silberring benutzt.«
    Helios nahm den Ring aus seiner Tasche und sah ihn sich wieder einmal an. Er hatte ihn damals beim Aufwachen unter der Zunge gehabt. Als er Fred danach gefragt hatte, konnte der sich nicht erinnern, ihn vorher schon einmal gesehen zu haben, und es verging eine Woche, bevor dem Pfeiferkind wieder einfiel, dass es hieß, eine Silbermünze unter der Zunge sei gut gegen das Vergessen.
    »Er besteht gar nicht völlig aus Silber«, sagte Helios. »Ein Teil scheint aus Gold zu sein. Ich denke, das hat etwas zu sagen … aber –«
    »– ich kann mich nicht erinnern«, beendete Fred den Satz für ihn. Er sah hinüber auf die gestrüppreiche Wüste im Westen. »Beinahe Sonnenuntergang. Vielleicht gibt Helve uns frei, wenn es dunkel wird.«
    »Das bezweifele ich«, meinte Helios. Er wollte nicht freihaben. Freihaben hieß, Zeit haben, und das hieß, sich erinnern wollen. Er zog es vor, Arbeit zu haben und erst gar keine Gelegenheit zum Nachdenken zu bekommen.
    Die Gruppe war auf Säuberungsmission. Die Platten im Südwesten, Westen und Nordwesten hatten während der vergangenen Woche häufig gewechselt, und der Wind war aus westlicher Richtung gekommen und hatte allerlei Laub ins Camp geweht, das sich unter den Gebäuden und in verschiedenen Ecken abgelagert hatte und das Missfallen des Ausbildungskaders erregte. Also waren die Rekruten mit dem Befehl losgeschickt worden, alles aufzufegen. Die Strafe für das Liegenlassen auch nur eines einzigen Blattes oder gar eines rollenden Dornbusches war ein Vierzehn-Meilen-Übungsmarsch bei Nacht in Hordenrüstung (die gut beim Reiten von Unpferden, aber schrecklich beim Marschieren war) mit Legionswaffen und Grenzerstiefeln (denn nach vierzehn Meilen Marschieren in Hordenstiefeln würde das gesamte Rekrutenbataillon lahm zurückkehren).
    »Was ist das dort hinten in der Wüste?«, fragte Fred. »Ist eine der anderen Rekrutenkompanien auf Gefechtsübung?«
    Helios schaute in die Richtung, in die Fred deutete. Da marschierte eine Kolonne weniger als eine Meile entfernt. Die Spätnachmittagssonne glitzerte auf den Spitzen ihrer Helme und langen Speere und wurde sehr hell von den metallischen Fäden in der Standarte zurückgeworfen, die über den vier oder fünf Reitern auf der linken Flanke im Wind flatterte.
    »Das sind keine Rekruten«, stellte Helios fest. »Und das ist auch keine Einheit, von der ich je gelesen habe.«
    In dem Versuch, seinen Gedächtnisverlust zu kompensieren, hatte Helios den kompletten Des Rekruten Kamerad gelesen und weite Passagen daraus

Weitere Kostenlose Bücher