Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
doch nicht gutgehen.«
    »Und die Gisela kann man ja auch nicht verheiraten und damit einen neuen Herrn ins Haus holen, denn der Ansgar lebt ja noch. Er ist nicht bei Verstande, aber dennoch das Oberhaupt des Hilgerhofes.«
    »Was will man da machen? Die wissen nicht ein noch aus. Denen wird im nächsten Jahr die ganze Ernte verderben, wenn das so weitergeht. Man sagt schon, dass ihnen zahlreiche Stück Vieh krepiert sind in diesem Winter. Das kommt nur daher, dass sich dort keiner kümmert. Verwahrlosen werden die noch.«
    »Hunger sollen sie bereits leiden. Zum ersten Mal seit Gründung ihres Hofes! Es nähme nicht wunder, wenn sie dem verbliebenen Großvieh das Blut abzapfen, um es zu trinken, so schlecht ergeht es ihnen.«
    »Das ist ein Fluch, liebe Gottesmänner, ein Fluch, der auf dieser Sippe lastet, und jetzt hat es auch noch den Liudolf getroffen.«
    »Die Zunge hat er sich abgebissen. Rasend muss er gewesen sein, dass ihm so etwas gelungen ist. Ich vermute, die Fallsucht hat ihn gepackt. Schon als Kind soll er darunter gelitten haben.«
    Diese und zahlreiche weitere Informationen erhielt Bruder
Pius, als er zusammen mit Bruder Melchior die dunklen, warmen, verrauchten Stuben der Menschen in den Tälern und Bergen rund um den heiligen Berg aufsuchte. Und was er da hörte, gefiel ihm. Denn er hatte von gewisser Seite den Auftrag erhalten, im Namen des Kaisers und natürlich auch der Reichskirche dafür zu sorgen, dass das bunte Durcheinander der Abhängigkeiten und Unabhängigkeiten der freien, halbfreien und unfreien Sachsen in einheitliche Bahnen gelenkt wurde.
    Viele dieser Menschen schienen es nicht verstehen zu wollen, dass man ihnen mit dem Schutz und der Obhut, die ihnen das Lehnswesen bot, keineswegs die Freiheit rauben wollte, sondern ihnen eine Möglichkeit gab, ihre Erträge sogar zu steigern und ihr Leben gottgefälliger und einträchtiger zu gestalten. Aber langsam konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich auf diesen Höfen alles in die richtigen Bahnen zu entwickeln begann. Kaum noch ein Sturkopf war in der Gegend zu finden – keiner außer dem Meinrad und dessen Sohn, die ein freies Anwesen auf eben dem Berge betrieben, auf dem die Kirche, welche der flatterhafte Agius errichtet hatte, langsam zu zerfallen begann.
    Und während Bruder Pius seinen wichtigen Auftrag geflissentlich erfüllte, mit den Menschen sprach, ihnen Gottes Willen und die Pflichten der Erdenbürger näherbrachte, hatte Bruder Melchior versucht, weiter herauszufinden, wie es denn zu diesem Zustand hatte kommen können.
    Wie denn der Liudolf gestorben war?
    Warum denn der Hilgerhof ganz ohne Männer dastand?
    Und was man Neues von der mysteriösen Erscheinung des weißen Mannes wusste?
    Außerdem interessierte es ihn, wo sich Inga, Witwe des Rothger, aufhielt.
    Lebte sie noch?

    Eine sichere Quelle für all diese gewünschten Informationen stellte wie immer die krumme Gunda da. Gunda war keine Freundin des neuen Glaubens, sie war ein durch und durch heidnisches Weib, und Melchior gab den Gedanken auf, sie jemals eines Besseren belehren zu können. Sie war zu alt. Sollte man sie in Frieden lassen und nach ihrem Ableben für ihr Seelenheil beten. Vielleicht war ja auf die Gnade des Herrn zu hoffen, denn auch wenn sie ein neugieriges und geschwätziges Weiblein war, so steckte in ihr dennoch ein guter Kern. Das spürte Melchior, und deshalb war sie es, mit der er bei einem jeden seiner Besuche das Gespräch suchte. Ohne Beisein des Bruders Pius, verstand sich, denn diesem traute er nicht.
     
    Und so schlich er sich, wenn Pius in den Stuben der Leute hockte, immer wieder unter einem Vorwand hinaus, um das kleine Häuschen der Gunda aufzusuchen. Es lag am Rande der Talsiedlung, ein Grubenhaus, das ebenso krumm war wie seine Bewohnerin. Es bestand nur aus einem moosbewachsenen, nun allerdings von Schnee bedeckten Strohdach, das bis zum Boden reichte. Die Eingangstüre war so klein, dass Melchior sich fast der Länge nach halbieren musste, um hineinzugelangen. Doch nachdem er eine kleine Holzstiege hinuntergeklettert war, konnte er in dem in den Boden eingelassenen Zimmerchen durchaus bequem stehen.
    Gunda hatte in diesem winzigen Raum einen Wust an Behältern und Gefäßen angesammelt, Kräuterbüschel hingen an der Decke, und überhaupt sah es nicht viel anders aus als in der alten Schmiede, zu dem Zeitpunkt, als dort noch die Witwe Inga ihre Heilkunst betrieben hatte.
    »Das habe ich gerettet, nachdem sie bei Inga alles

Weitere Kostenlose Bücher