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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Melchior aufmerksam in dem winzigen, vollgepfropften Raume um. »Könntest du eine Kiste für mich aufheben?«
    »Eine Kiste? Was für eine Kiste?«
    »Nun, sie befindet sich noch gut versteckt im Walde auf dem heiligen Berg. Ich fürchte nur, sie hält auf Dauer der Witterung nicht stand, denn in ihr ruhen sehr fragile Schätze, welche die Feuchtigkeit nicht vertragen.«
    »Was für Schätze, Gottesmann?«
    »Getrocknete Schmetterlinge, Ameisen, Spinnen, Raupen, Käfer und derlei Getier.«
    »Pfui.«

    »Durchaus nicht, gute Frau Gunda. Das ist durchaus nicht ekelerregend, sondern von außerordentlicher Schönheit und einem ebenso hohen wissenschaftlichen Wert. Allerdings ist es mein Geheimnis, und darum suche ich einen sicheren Ort, um dieses Geheimnis zu verbergen. Gebeichtet habe ich diese kleine Sünde übrigens schon. Gott hat mir vergeben.«
    »Dann bring sie halt her.«
    »Nur weiß ich nicht, wie ich es anstellen soll. Bruder Pius darf mich nicht dabei ertappen.«
    »Ist sie schwer, die Kiste?«
    »Gar nicht schwer.«
    »Dann hole ich sie. Nehme meinen Handkarren und hole sie.«
    »Danke, gute Gunda! Hab vielen Dank.«

XXXI
    D er Schnee begann bereits zu schmelzen. Die Pfade und Wege im Flecken Huxori verwandelten sich in schlammige, braune Moraste, die teilweise so tief waren, dass sie mit Brettern überbrückt werden mussten, wollte man nicht knietief im Matsch versinken. Doch diese feuchtkalten Umstände störten die Menschen nicht, vielmehr erfreuten sie sich daran, dass man hier und da schon einzelne grüne Knospen zwischen dem schmutzigen Weiß in Gärten und Höfen hervorsprießen sah. Der Frühling kündigte sich an, eine Jahreszeit der Freude, der Hoffnung und des Aufatmens.
    Auch Inga sah dem neuen Jahr mit großen Erwartungen entgegen. Fast täglich hoffte sie auf die Rückkehr ihres Bruders. Das unerwartete Zusammentreffen mit Bero hatte sie wieder zuversichtlich gestimmt.
    Er war ein guter Junge und nach wie vor ebenso ehrgeizig wie schlau. Sein Plan, den Weißen zu finden, ihn als den wahren Übeltäter zu präsentieren, um dann auf den Hilgerhof einzuheiraten, gefiel Inga. Und sie war bescheiden genug, zu ignorieren, dass im Grunde sie es war, die ihm diesen Gedanken nahegebracht und schmackhaft gemacht hatte.
    Ja, wenn ihm das gelänge, dann könnte sie zurückkehren. Sie könnte sogar auf den Hof ihres Vaters zurückkehren, bei ihren Eltern leben, sich weiterhin als Kräuterfrau verdingen und somit einen kleinen Zuerwerb verdienen. Ganz so, wie es ihre
Großmutter Tilda, die Witwe des alten, erschlagenen Bero, zeit ihres Lebens getan hatte. Und selbst wenn ihr Vater sie nicht wieder aufnahm, so könnte sie die alte Schmiede neu errichten und dort mit Gunda leben. Durch den Aufstieg des Bruders als Erbe des Meinradhofes und neuen Herrn des Hilgerhofes wäre ihr Ruf wiederhergestellt. Niemand in der Gegend wäre so mächtig wie Bero, niemand, denn Liudolf war tot. Und es gab offenbar nicht eine einzige Seele, die sie, Inga, Witwe des Rothger, mit dem Ableben des Sippenoberhauptes aus dem Tal in Verbindung brachte.
    Wahrscheinlich, so hoffte sie annehmen zu können, war er nicht an den Folgen der abgebissenen Zunge verstorben. So etwas blutete stark, sehr stark sogar, aber ebenso gut heilten Wunden im Mund auch wieder. Sie heilten besser als Verletzungen an allen anderen Stellen des Körpers. Ihn musste ein zusätzliches Wehleiden gepackt haben, dem er dann erlegen war. Ingas Gewissen war rein.
    Doch bei all den hoffnungsvollen Gedanken plagten sie dennoch auch Sorgen. Zum einen fragte sie sich, ob es Bero gelingen würde, den weißen Mann nicht nur aufzustöbern, sondern ihn auch zu überwältigen und den Leuten in den Tälern und Bergen vorzuführen. Er war gefährlich, und auch wenn es sich bei ihm tatsächlich um einen Menschen handelte, schloss das nicht aus, dass er über Zauberkräfte verfügte. Er musste gar über solche Fähigkeiten verfügen. Wie sonst wäre es ihm gelungen, all diese jungen, starken Leute in seine Gewalt zu bringen und zu töten?
    Wochen waren bereits seit Beros Erscheinen in der Taverne vergangen. Warum war er noch nicht wieder zurückgekehrt? Hatte er doch selbst gesagt, möglichst oft, auch bei widrigstem Wetter, den Weg nach Huxori zu finden, um dort ein wenig Freude zu haben. Und jetzt? Trotz dieser wichtigen
Angelegenheit gab es bislang kein Lebenszeichen von ihrem Bruder.
    Eine weitere Frage quälte Inga. Was würde mit Ansgar geschehen, wenn Bero

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