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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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niemandem davon erzählen, in ihrem eigenen Interesse«, antwortete Agius, dabei noch immer kopfschüttelnd das veränderte Grab betrachtend.
    »Warum nur stets diese hässlichen Dornen, Bruder Agius?«
    »Damit sie sich darin verfangen, wenn sie versuchen wiederzukehren. Sie sollen bleiben, wo sie sind, sollen nicht auferstehen.«
    »Wieso sollen sie nicht auferstehen? Stelle dir nur vor, jemand hätte unseren Herrn Jesus Christus an seiner Auferstehung hindern wollen?« Melchior war empört.
    Agius antwortete: »Sie wissen es nicht besser. Für sie gibt es keine guten Seelen. Der Tod ist schrecklich und macht selbst diejenigen zu bösen Geistern, die zeit ihres Lebens gute Menschen waren. So glauben sie und sie versuchen alles, damit ihre Toten tot bleiben.«
    »Erschreckend. So hoffnungslos.«
    »Ja, hoffnungslos.«

    »Mönche?«
    »Wenn ich es dir doch sage.«
    »Sie haben ihn fortgeholt?«
    »Das haben sie. In der Nacht. Und sie waren auch hier. Herumgeschnüfelt haben sie.«
    »Das kann gefährlich werden.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Was sollen wir tun?«
    »Finde heraus, was sie mit ihm angestellt haben.«
    »Es gab noch keine Kunde von seinem Tod. Wieso sagen sie es niemandem?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich lebe nicht mehr in eurer Welt.«
    »Es ist doch gleich, ob man von seinem Tod erfährt oder nicht. Wichtig ist nur, dass er nicht mehr ist.«
    »Da bin ich anderer Meinung.«
    »Ich kann doch schlecht zu ihnen gehen und sie fragen, warum sie den Leichnam verstecken.«
    »Lass das getrost meine Sorge sein, ich habe da einen Einfall. Erst einmal solltest du mir helfen, eine neue Bleibe zu finden.«
    »Das stimmt. Sie werden sicherlich zurückkehren.«
    »Einer von ihnen streift schon seit Monaten durch den Wald. Fast täglich. Lästig ist das.«
    »Willst du den Wald ganz verlassen?«
    »Vielleicht.«

XIII
    A m folgenden Tag stieg gegen Mittag Rauch aus dem dichten Wald des Kapenberges auf. Es dauerte nicht lange, und nahezu sämtliche Bewohner der Dorfsiedlung hatten sich auf dem Hofe des Liudolf versammelt und blickten teils verwirrt, teils verängstigt auf den brennenden Wald.
    »Wie kann das sein?«
    »Ein Blitz?«
    »Viel zu feucht ist es dort, als dass das Feuer eines Blitzschlags von vor zwei Tagen noch immer brennt.«
    »Die Sonne?«
    »Sie dringt dort nicht durch.«
    »Da muss einer einen Brand gelegt haben.«
    »Tief im Wald? Wer sollte das wagen?«
    »Die Mönche waren gestern im Wald. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie hineingegangen sind.«
    Der junge Mann, dem Agius und Melchior am vorigen Tage begegnet waren, war es, der das Stimmengewirr der verwunderten Menge unterbrach.
    »So? Was wollten die dort?«, fragte Liudolf.
    »Sich gruseln oder so ähnlich.«
    »Sich gruseln?«
    »Das sagte der eine, der Hochmütige, und dann schimpfte er mit mir. Wir seien dumm, dass wir an Schauermärchen glaubten. Besser wäre es, wir nutzten den Wald.«

    »So, so. Wahrscheinlich wollen sie ihn sich einverleiben für ihr Kloster. Aber weshalb sollten sie ihn anzünden? Sind sie denn wieder zurückgekommen?«
    »Das sind sie, Liudolf, das sind sie«, mischte sich ein flinkes, altes Weib ins Gespräch – die krumme Gunda, eine bucklige Alte von mehr als sechzig Sommern, die hier und da auf den Höfen aushalf und die fast hellseherische Gabe besaß, über alles und jeden immerzu bestens informiert zu sein. »Verschreckt sahen sie aus. Mit großen Augen liefen sie durchs Tal. So, als sei ihnen ein garstiger Unhold begegnet. Nicht einmal gegrüßt haben sie mich.«
    »Dort gibt es fürwahr Unholde. Mir selbst ist einer begegnet.« Einer der Verfolger Ingas meldete sich linkisch und leise zu Wort.
    »Wann?« Liudolf drehte sich zu ihm um.
    »Nach der Kirchweih. Unweit des Waldrandes, nahe der Kohlenfurt. Ein weißer Mann war es, mit langem Bart. Der Gunter vom Rabenhof war auch dabei, ihr könnt ihn fragen. Und die Inga, die Witwe vom Rothger, die hat ihn gerufen, den Waldmann.«
    »Was redest du da? Und was habt ihr mit der an der Kohlenfurt zu suchen gehabt?«, keifte die Mutter des Jungen. Dieser schaute nur zu Boden und ging zwei Schritte zurück.
    »Seltsame Geschichten sind das«, meinte Liudolf nur, während hinter ihm ein wildes Gerede und Geschwätz ausbrach.
    »Ich habe das schon immer gewusst.«
    »Eine feile Dirne ist das. Kein Wunder, dass der Meinrad sie verstoßen hat.«
    »Geister rufen, das sieht ihr gleich.«
    »Die Gänsefrieda hat auch eine solch weiße Gestalt gesehen.

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