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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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im nächsten Moment sah er drei Männer hinter der Wurzel eines umgestürzten Waldriesen hervorlugen.
    »Seid ihr des Wahnsinns?«, fuhr er sie an und erkannte bald, dass es sich um Liudolf und zwei Gefolgsleute aus der Talsiedlung handelte.
    »Verzeih, Herr Mönch, wir dachten, du seist ein Räuber oder sonst ein Unhold.«
    »Das bin ich wahrlich nicht. Was wäre geschehen, wenn ihr mich getroffen hättet? Liegen gelassen hättet ihr mich, das ist gewiss. Und euren Enkeln und Urenkeln könntet ihr dann die Geschichten vom Geistermönch im Kapenwald erzählen.« Agius war außer sich.
    »Der Wald brennt«, sagte Liudolf nur.
    »Ich weiß, und ich habe mir den Brand angesehen.« Agius überlegte kurz, wie viel er diesen Männern sagen konnte. Dann fuhr er mit ruhiger Stimme fort: »Gestern fanden Bruder Melchior und ich eine Behausung in diesem Walde. Ich kehrte heute in der Früh zurück, um den Bewohner aufzusuchen, da wir
ihn am Vortag nicht angetroffen hatten. Mich interessierte, was einen einsamen Menschen fern von der Gemeinschaft in einen solchen Wald treibt. Als ich kam, war die Hütte verbrannt, und mit ihr die Bäume ringsherum.«
    Die Männer schauten ihn entsetzt an.
    »Könnt ihr mir nicht sagen, wer dieser Mann ist?«
    »Es heißt, dass hier ein weißer Mann sein Unwesen treibt«, antwortete Liudolf.
    »Und was soll das für ein Mann sein?«
    »Man weiß es nicht. Nur wenige haben ihn gesehen. Eine Geistergestalt, wird behauptet. Wir können uns nicht erklären, wer sonst in einem solch verwunschenen Wald leben sollte. Nicht einmal Räuber würden es wagen.«
    »Dummes Zeug. Gerade dich, Liudolf, habe ich immer für einen klugen und verständigen Mann gehalten. Ihr wisst also nichts von diesem Einsiedler?«
    Die Männer schüttelten den Kopf.
    »Doch«, sagte schließlich Ewald. »Die Witwe des Rothger kennt ihn. Wenn sie ihn ruft, dann kommt er.«
    »Wer behauptet das?«, fuhr Agius ihn an.
    »Die Leute in der Siedlung haben soeben davon gesprochen.«
    Agius brummte nur missmutig.
    »Und was treibt euch nun hierher, wenn ihr euch doch so sehr fürchtet?«
    »Der Brand natürlich«, antwortete Liudolf.
    »Geht und schaut selbst. Das Feuer wird sich nicht weiter ausbreiten. Es besteht keine Gefahr für eure Häuser. Bald werden die Flammen erstickt sein.«
    »Wenn du das sagst, Herr Mönch, dann wollen wir dir glauben.«
    »Also gehen wir gemeinsam zurück«, forderte Agius, nun versöhnlicher im Ton, die Männer auf.

    Inga staunte, als sie zusammen mit einer der Mägde von den Feldern zurück auf den Hof kam und dort Ansgar und Bruder Agius miteinander sprechen sah. Verschämt grüßend ging sie zunächst an den beiden vorüber, kehrte dann aber umgehend zu einem Platz hinter der Hauswand zurück, der außer Sicht-, dafür aber in exzellenter Hörweite lag. Es galt zwei soeben geschlachtete Hühner zu rupfen, eine Arbeit, die sie wunderbar und von den beiden ungesehen auf der Holzbank vor der schmalen Ostseite des Langhauses verrichten konnte.
    »Ich vernahm in der Siedlung des Liudolf von dem Überfall«, hörte sie die Stimme des Mönches.
    »Ist schon wieder gut. Alles so weit verheilt.«
    »Es tut mir leid, dass ausgerechnet auf einem Fest zu Ehren unserer neuen Kirche ein solches Unglück geschehen musste.«
    »Du musst noch einiges lernen, Mönch Agius. Ein Unglück ist es, wenn dir im Winter vier Stück Vieh verhungern oder von Wölfen gerissen werden. Ein Unglück ist es, wenn dir im heißen Sommer die kleinen Kinder am Fieber sterben. Ein Unglück ist es, wenn der Hagel dir die Ernte zerschlägt. Aber wenn sich zwei Betrunkene prügeln, dann ist das bei Weitem kein Unglücksfall. Es wäre ein Wunder, wenn es nicht geschehen würde.«
    Inga freute sich über diese Worte, während sie die Federn aus dem schlaffen, dürren Körper des Huhnes riss. Sie hoffte, dass Ansgar tatsächlich so beschwichtigt war, wie er nun sprach.
    »Es ist gut zu hören, dass du darüber so großmütig denkst, Friling Ansgar. Allerdings ist mir auch zu Ohren gekommen, dass der junge Bero die Flucht ergriffen hat.«
    »Wenn er ein Schisser ist, dann ist er ein Schisser. Soll er fliehen, mir ist das recht.«
    »Hat er etwa deine Rache zu befürchten?«

    »Ungeschoren kommt der nicht davon. Das sage ich auch dir als Gottesmann ganz offen. Aber das ist doch wohl nicht der Grund dafür, dass du den weiten Weg hierher gemacht hast?«
    »Doch, das ist der Grund. Ich weiß um die Historie eurer beider Familien. Und es ist mir

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