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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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gütiges Familienoberhaupt sein, deiner Frau ein treuer Ehemann und deinen Kindern ein fürsorglicher Vater. Weder Mensch noch Tier sollst du unnötig ein Haar krümmen. Und der Familie des Meinrad gehst du aus dem Wege. Das ist meine Bedingung, und nur, wenn du das befolgst, werde ich Stillschweigen bewahren. Es ist nicht meine Art zu drohen, aber so viel sei dir gesagt: Es werden in den nächsten Wochen zwei Königsboten unseres Kaisers Ludwig in dieser Gegend erwartet. Lass sie nicht Gericht über dich halten müssen, Ansgar, Sohn des Hilger. Denn dann würdest nicht nur du deines Lebens, sondern auch deine
Familie all ihres kostbaren Landes verlustig gehen. Das willst du nicht, das ist gewiss.«
    Ansgar nickte stumm, ohne dem Mönch ins Gesicht zu schauen, stand auf und trat zusammen mit Ada langsam den Heimweg an. Inga folgte ihnen, das Pferd am Zügel führend.
    Als sie an der Wegbiegung angekommen waren, die zur Linken entlang des Opfermoores zum Hofe des Meinrad führte und zur Rechten hinab ins Tal, blieb Ansgar stehen und drehte sich nach Inga um:
    »Nimm das Pferd als erstes Zeichen der Wiedergutmachung und bring es deinem Vater. Ein zweites erhalten sie nicht, denn sie haben uns auch eines genommen. Du selbst wirst nie wieder einen Fuß auf unseren Grund setzen. Das sage ich dir im Guten.«
    Und damit ging er weiter seines Weges, Inga zurücklassend. Ada blieb kurz bei der Schwägerin stehen und nickte Inga stumm zu.
     
    Da stand sie nun. Allein an der Wegbiegung. Sie war nicht traurig, nicht besorgt – nein, sie war erleichtert. Es war ihr, als sei eine enorme Last von ihr gefallen. Sie fühlte sich mit einem Mal seltsam frei und konnte sich nicht erklären, warum. Ihr Leben war ein völliger Scherbenhaufen. Sie hatte nichts, keine Habe, keine Bleibe, keine Zukunft. Aber dieses Nichts war allemal besser als der riesige, bedrückende Felsen, den sie bislang glaubte mit sich herumtragen zu müssen.
    Sie würde nun zu ihrer Familie zurückkehren. Ihnen das Pferd bringen. Und wenn sie sie nicht aufforderten, bei ihnen zu bleiben, würde sie nicht weinen, nicht flehen. Sie würde einfach gehen. In die alte Schmiede würde sie gehen, um dort zu leben. Allein leben, bis aus ihr ein betagtes, dürres Kräuterweib geworden war, von denen es in diesem Lande so viele gab.
Der Hof des Meinrad bot bei weitem nicht das Schreckensbild, welches die krumme Gunda gezeichnet hatte. Aber dennoch entsprach der Wahrheit, dass wenigstens ein Knecht, der junge Heimerich, vom wütenden Ansgar erschlagen worden war. Ivo der Alte hatte jedoch verletzt überlebt. Zwei Pferde und eine Kuh hatte Ansgar außerdem getötet. Alles andere Vieh war mit dem Schrecken davongekommen, und auch das Haus nur an ein, zwei Stellen leicht angekokelt, nicht aber stark beschädigt. Inga ging nur zögerlich auf den Hof.
    Beide Mägde waren bereits weinend dabei, die getötete Kuh auszunehmen. Und auch einige Leute aus der nahen Bergsiedlung, dem Sippenverband der Meinradschen, waren herbeigekommen und halfen nun bei der Beseitigung der Schäden. Alle hielten in ihrer Arbeit inne, als Inga mit der braunen Stute am Zügel den Hof betrat.
    Vater und Mutter standen zusammen mit einem entfernten Verwandten, dem roten Gerald, vor dem Speicherhaus. Auch sie hatten ihr Gespräch unterbrochen und ihren Blick auf die verlorene Tochter gerichtet.
    Gerda, die Mutter, fasste sich ein Herz und lief auf Inga zu. Weinend lagen sich die Frauen in den Armen. Es war ein rührender Augenblick und ganz anders, als Inga sich den Empfang vorgestellt hatte. Vorerst – denn bald schritt auch der Vater ihr entgegen. Doch seine Reaktion war weniger herzlich und warm.
    »Du hast hier nichts zu suchen. Verschwinde und kehre zurück, woher du gekommen bist.« Seine Worte waren hart, aber seine Stimme bebte. Inga sah ihn verzweifelt an.
    »Ich will gar nicht bleiben, Vater. Weder hier noch dort. Nirgendwo bin ich mehr willkommen. Das Pferd bringe ich euch. Ansgar ist geläutert, die Mönche haben ihn beschwichtigt. Er wird euch nicht mehr aufsuchen, aller Schaden wird beseitigt,
das Vieh und der tote Knecht ersetzt. Auch Bero hat nichts zu befürchten.«
    »Wer will mir das garantieren?«, fragte Meinrad bitter.
    »Gernot ist tot, wahrscheinlich. Jemand hat ihn ermordet. Denn heute Morgen fanden wir den Kopf seines Pferdes, aufgespießt auf einen Pfahl, direkt vor der Türe des Hilgerschen Hauses. Eine Racherune auf der toten Stirn.«
    Meinrad blickte seine Tochter mit

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