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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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ausdruckslosem Gesicht an.
    »Das hat er uns nicht gesagt«, sagte er schließlich mit erstickter Stimme.
    »Er vermutete Bero hinter dieser Tat.«
    »Viele andere hätten Grund, sich an den Hilgerschen zu rächen. Habgier, Hochmut und sinnlose Gewalt sind ihr Erbe. Es war nicht Beros Tat, und das weißt du auch.«
    Inga sah ihm an, dass er selbst an seinen Worten zweifelte. Er traute es seinem Sohn durchaus zu, und auch sie war sich nicht mehr sicher, ob der Bruder tatsächlich unschuldig an dem ganzen Geschehen war. Eines jedoch war gewiss: Meinrad selbst schien nichts mit alldem zu tun zu haben.
    »Nimm das Pferd, Vater. Und bitte, sprich mit Bero. Was immer er getan hat: Niemand wird es je mit Sicherheit herausfinden. Jeder Mensch weiß, dass der Tod des Großvaters noch nicht gesühnt war. Nun haben sie genug bezahlt. Bero wird nichts geschehen, wenn er zurückkehrt. Und auch er soll sich zu keiner weiteren Tat hinreißen lassen.«
    »Geh nun, und komm nicht wieder.«
    Das Pferd zurücklassend und unter Tränen von der Mutter Abschied nehmend, verließ Inga den Hof ihrer Familie.

XV
    D as Flechtwerk der Wände war gänzlich vermodert und zur Heimat zahllosen Ungeziefers geworden. Das Dach bot nur noch an wenigen Stellen Schutz vor Regen und Nässe. Die große Pforte hingegen, der Eingang zur Schmiede, war noch vollkommen intakt. Zwei oder drei Holzbretter würden genügen, um die Tür zu reparieren. Der Boden stak vor Schmutz und Unkraut, und in den Ecken huschten sogar bei helllichtem Tag die Ratten und Mäuse herum. Doch auch dieses Problem ließ sich bewältigen.
    Sorge bereitete Inga lediglich, wie die Menschen in ihrer Umgebung darauf reagieren würden, dass sie sich einfach in dem verfallenen Haus des geächteten Schmiedes Hatho einnistete. Sie, eine junge Witwe von zweifelhaftem Ruf.
    Sie wagte es nicht, Ada, die letzte Hinterbliebene der sonst sämtlich verstorbenen Schmiedfamilie, zu fragen. Aber selbst diese hätte der Schwägerin keine Erlaubnis geben können, denn Haus und Hof des Hatho waren nach dessen Ächtung in die Hände einer der beiden großen hiesigen Adelsfamilien gefallen, welche sich mittlerweile aufzulösen drohte und nahezu sämtliche Ländereien der Kirche vermacht hatte. Also gehörte die alte Schmiede sehr wahrscheinlich dem neuen Kloster. Nur war sie für dieses wertlos, da nämlich die dazugehörigen Felder – das wusste Inga nur zu gut – vom alten Hilger gekauft worden waren. Ein Freundschaftsdienst, den er dem geächteten Hatho
erwiesen hatte, als bereits feststand, dass dieser aufgrund seiner ungeheuerlichen Tat Standes und Besitzes verlustig gehen würde. Was Hatho mit dem Geld des Hilger angefangen hatte – denn es hieß, er habe ihn tatsächlich mit Silbermünzen bezahlt -, darüber waren alsbald die verschiedensten Erzählungen im Umlauf gewesen.
    Wie auch immer, die Denare hatten ihm nichts genützt, denn sowohl er als auch seine Söhne wurden nicht lang nach ihrer Ächtung und Vertreibung tot im Walde aufgefunden. Seine Frau hatte sich bereits zuvor im eigenen Hause erhängt, während die einzige Tochter Ada die Gnade erfuhr, als Frau des zweiten Hilgersohnes auf dessen Hofe bleiben zu dürfen.
    Acht Jahre waren seither vergangen, und die Erinnerung an die Familie des Hatho begann zu verblassen. Sein Haus hingegen hatte Wind und Wetter getrotzt, und so war Inga froh, es sich hier heimisch machen zu können, wenn sie denn durfte.
    Sei es drum, dachte sie bei sich und begann in dem verdreckten, einzigen Raum des Hauses aufzuräumen. Eine mehr als große, steinerne Feuerstelle bildete den Mittelpunkt der Schmiede. Hier war Hatho wie schon seine Vorfahren seiner Arbeit nachgegangen, unbescholten bis zu dem Tage, als man ihn beschuldigte, die Gräber der Adelssippe der Billinge geschändet und geplündert zu haben.
    Ein enormer Amboss zeugte von ihrer vergangenen Arbeitswut. Voller Rost war er, aber so schwer, dass Inga erst gar nicht versuchte, das unbrauchbare Ding hinauszubefördern. Alles andere fand aber noch am gleichen Tag seinen Weg an die frische Luft. Inga war vorerst zufrieden. Nassgeschwitzt und durch die willkommene Arbeit von allen bösen und unguten Gedanken befreit, saß sie am Abend auf dem Amboss, dem einzig verbliebenen Möbelstück im Raume, und betrachtete ihr neues Heim.

    Erst jetzt wandelte sich ihre Zuversicht in ein leichtes Unbehagen. Die Nacht würde kommen, und mit ihr die Spukgestalten. Schlimm genug, wenn sie einem an einem neutralen Ort

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