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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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waren darüber so sehr in Streit geraten, dass sie sich beinahe geprügelt hätten.
    Und nun das.
    Ein Zeichen.
    Ein Zeichen von ihm. Ganz eindeutig.
    Er war es, und Ansgar wusste nur zu genau, warum er es tat.
    Der rote Bero war also unschuldig, vollkommen unschuldig.
    Doch was sollte er nun mit dieser Erkenntnis anfangen? Es anderen zu erzählen, war zu gefährlich. Nicht einmal seine Familie durfte davon erfahren.
    Was aber war mit ihr? Was hatte sie damit zu tun?
    Sie wusste es. Das war gewiss. Sie musste es wissen.
    Ansgar wunderte sich über sich selbst. Wütend, ja rasend müsste er sein, zu ihr laufen müsste er, sie an den Haaren zum nächsten Weiher schleifen und sie dort ersäufen. Doch stattdessen fühlte er nichts als eine düstere, schwere Leere. Alles, ja alles, war vollkommen anders, als er jahrelang gedacht hatte. In allem hatte er sich geirrt. Nun stand er hier, vor dieser widerlichen Schnitzerei, und war allein.
    Rothger, Uta, Gernot.
    Ja, sogar der Tod Utas ergab nun einen Sinn. Für die Meinradschen war diese Nebenfrau des Hilgererben bedeutungslos.
    Nicht aber für diesen. Und die Reihe ließe sich fortführen. Wenigstens zwei oder drei weitere Mitglieder der Sippe fielen ihm ein, die bald sterben könnten.
    Und sie hatte von alldem gewusst?
    Nein, das durfte nicht sein. Niemals. Das traute er ihr nicht zu.

    Ohne zu wissen, was er tat, noch immer in einem Zustand sich dumpf und zäh ausbreitender Gewissheit, nahm er die Axt, die er bei sich hatte, um den Zaun zu reparieren, und hieb stattdessen schweigend, aber kraftvoll auf den Holzstamm ein.
    Es war nur eine der beiden geschnitzten Fratzen, die er traf, die er mit aller Wut zerschlug und somit bis zur Unkenntlichkeit verunstaltete.
    Dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt weiter den Berg hinauf. Er lenkte das Tier durch Dornen und Sträucher, über Steine und Wurzeln, über enge, nur von Schweineherden ausgetretene Pfade. Sein Weg führte ihn in nahezu jeden Winkel des Eschenberges, er schaute hinter jeden Busch, durchstreifte jeden Hain. Immer auf der Suche nach seinem neuen, gefährlichen Widersacher.
    Und schließlich fand er sie – Inga.
    Sie hockte am Boden, in welchen sie voller Inbrunst ein Loch grub. Das Herannahen Ansgars hatte sie nicht bemerkt.
    »Oh Schreck!«, rief sie mit weit aufgerissenen Augen, aber im selben Moment verriet ihr Gesicht Erleichterung. Es war kein freudiger Anblick, aber auch kein Unhold, der sie so überrascht hatte.
    Ansgar verhielt sich eigenartig. Er schaute verlegen zu Boden, als er sie sah, und wusste offensichtlich nicht, was er sagen sollte. Auf dieses Zusammentreffen waren beide nicht vorbereitet gewesen.
    »Was treibt dich denn hierher?«, fragte Inga schließlich, die unangenehme Stille durchbrechend.
    »Seit wann darf ich nicht mehr durch Wälder und über Berge reiten?«, fuhr er sie grimmig an. »Vielmehr frage ich dich, was du hier treibst?«
    »Ich grabe nach der Wurzel der Bergdistel, ein Heilmittel gegen Beschwerden beim Wasserlassen.«

    Er schaute sie lange mit leerem Blick an, offenbar interessierte ihn ihre Antwort in keiner Weise. Inga war verwirrt. Was war mit ihm geschehen? Er war gar nicht bei sich.
    »Hast du getrunken?«, fragte sie schließlich.
    »Was?«, gab er verwirrt zurück.
    »Du verhältst dich sonderbar, Ansgar. Sehr sonderbar. Geht es dir nicht gut?«
    »Das soll nicht deine Sorge sein. Stell nicht so dumme Fragen, Weib.«
    Und mit einem Mal wurde sein Blick wieder klarer.
    »Was hat es mit der Schnitzkunst deines Bruders auf sich?«
    Inga schaute ihn erstaunt an.
    »Glotz nicht so blöd, sondern antworte: Kann dein Bruder schnitzen?«
    »Das weiß ich nicht. Dazu habe ich ihn in den letzten Jahren zu wenig gesehen. Aber erinnern kann ich mich nicht daran, dass er es als Kind mit Leidenschaft getan hätte.«
    Inga war noch immer äußerst verdutzt.
    Ansgar schüttelte nur leicht den Kopf, während er wieder mit verklärtem Blick zu Boden sah.
    »Warum willst du das wissen?«
    »Das geht dich nichts an, Weib.«
    »Du hegst doch etwa keinen Groll mehr gegen ihn, oder?«
    Ansgar brummte nur grimmig. Dann griff er, noch immer auf dem Pferd sitzend, blitzschnell nach Ingas Zopf, zog sie an den Haaren zu sich heran, schaute der Schreckensstarren lange suchend in die Augen und stieß sie schließlich so unsanft von sich, dass sie auf den Waldboden fiel. Im gleichen Moment trieb er sein Pferd an, machte kehrt und galoppierte davon.
     
    Zurück in der Schmiede, wartete die

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