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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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gelesen.
    »Darf ich wiederkommen und mich erkundigen, wie es ihr geht?«
    »Herrin kann gehen, wohin sie will«, antwortete die Alte nur, dann zog sie das Tuch wieder hoch.
    Grace kam sich auf einmal vollkommen nutzlos vor. Zu gern hätte sie der Frau geholfen. Doch wie?
    Das Schweigen, das sich zwischen sie stellte, wurde schließlich so unangenehm, dass Grace es vorzog, sich zu verabschieden und zu versprechen, dass sie in den nächsten Tagen wieder vorbeischauen würde.
    Den Weg zurück nahm sie durch die Teefelder, die wie eine weiche grüne Decke wirkten. Unter den verwunderten Blicken der Pflückerinnen, die sich aber sogleich wieder an die Arbeit machten, schritt sie den schmalen Weg entlang und sah immer wieder in die Wolken, die vor dem satten Blau dramatische Formen annahmen. Würden sie Regen bringen?
    »Miss Grace!«, rief da jemand von der Seite.
    Als sie ihre Augen beschirmte, erkannte sie Vikrama. Heute trug er eine Weste über seinem Hemd, dessen Ärmel er grob hochgeschlagen hatte. Seine dunkle Hose wies ebenso wie die hohen Stiefel Staubschlieren auf. Offenbar war er gerade von einem Rundritt zurück.
    »Ja, Mr Vikrama?«, fragte Grace lächelnd.
    »Sind Sie immer noch daran interessiert, unsere Sprache zu lernen?«
    »Aber natürlich!«, entgegnete sie. »Gerade eben habe ich mir wieder gewünscht, sie sprechen zu können. Ich habe Naala besucht. Die Frau, die bei ihr war, ist eine Heilerin, nicht wahr?«
    Vikrama nickte. »Sie ist gleich gestern aus dem Dorf gekommen, um sich um die Wunden zu kümmern. Sie sorgt schon dafür, dass Naala bald wieder arbeiten kann.«
    Grace entging der leise Vorwurf nicht. Wann wird er endlich damit aufhören, in mir nur die Tochter seines Herrn zu sehen?
    »Mir geht es vorrangig darum, dass sie die Hiebe überlebt und keinen Wundbrand bekommt. Ich habe Geschichten über die Sitten auf alten Segelschiffen gelesen: Männer, die ausgepeitscht wurden, starben nicht selten an den Verletzungen. Ich will nicht, dass Naala stirbt.«
    »Sie sind ganz anders als die englischen Frauen, die ich kenne, Miss Grace.«
    »Das nehme ich als Kompliment!«, entgegnete sie lächelnd. »Lange Zeit dachte ich, dass ich auch so sei, aber irgendwie hat dieser Ort hier etwas Magisches.«
    »Ja, er verändert die Menschen, wenn sie es zulassen.« Versonnen lächelte er in sich hinein, verschränkte dann die Hände auf dem Rücken. »Was halten Sie davon, wenn wir uns morgen zu unserer ersten Unterrichtsstunde treffen? Ich habe einen freien Nachmittag.«
    »Und den wollen Sie wirklich mit meinem Unterricht verbringen?«
    »Ich habe sonst nichts anderes zu tun. Außerdem dient es einer guten Sache. Vielleicht zeigt Ihr Vater auch irgendwann einmal Interesse an Tamil, dann können Sie es ihm selbst bei­bringen.«
    Beinahe hätte Grace aufgelacht. Ihr Vater sollte sich von ihr etwas beibringen lassen? Wo er sie doch wie ein Kind bestrafte, wenn sie eine eigene Entscheidung fällte?
    »Das werde ich tun, sofern er Interesse hat«, entgegnete sie aber nur, denn sie wollte sich vor Vikrama nicht wie ein ­bockiges Kind aufführen. »Ich danke Ihnen sehr und werde pünktlich sein!«
    Zurück im Haus, kamen Grace die Zweifel. Ob ich es ihm wirklich erzählen soll? Doch dann erinnerte sie sich wieder an den Blick des Vormanns. Einen Blick, der ihr Vergeltung für ihr Eingreifen ankündigte. Wenn er sie mit Vikrama zusammensah, würde er ihrem Vater vielleicht irgendwelche Lügen auftischen, die sie beide in Schwierigkeiten brachten. Also beschloss sie, mit offenen Karten zu spielen.
    Als sie nervös, ja beinahe ängstlich ihr Vorhaben beim Abendessen anbrachte, erntete sie Verwunderung.
    »Aber was willst du denn mit dieser unkultivierten Sprache, wo hier doch fast alle Englisch sprechen?«, fragte ihre Mutter, die von der Bestrafung ihrer Tochter gewiss wusste, sie aber offenbar als abgegolten ansah.
    »Ich will hören, was die Leute wirklich denken«, erklärte Grace und blickte zu ihrem Vater, der nicht den Eindruck machte, als sei er gewillt, ihr diese Bitte zu erfüllen.
    Erst einen Augenblick später fiel ihr ein, dass diese Worte falsch verstanden werden könnten. Doch es war zu spät.
    »Du meinst, sie könnten sich gegen uns verschwören?« Die Miene ihres Vaters wurde ernst.
    »Nein, es ist nur …« Grace stockte. Auf keinen Fall durfte sie den Eindruck entstehen lassen, dass die Menschen hier etwas gegen ihren Herrn im Schilde führten. Sonst würde Petersen schon bald die nächste

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