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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Fensterbrett standen.
    Die Einrichtung der Hütte war sehr einfach gehalten. An der Wand stand ein altes, sauber bezogenes Bett, die Kommode neben der Tür war wahrscheinlich irgendwann aus dem Herrenhaus ausgemustert worden. Ein kleines, orientalisch anmutendes Schränkchen erhob sich gegenüber der Tür, anstelle von Stühlen waren Sitzkissen auf dem Boden verteilt. Rote Farbe blätterte von den Wänden. Die Bodendielen knarrten leise unter seinen Schritten, als er den Raum durchmaß.
    Könnte ich in solch einer Hütte leben?, fragte sich Grace.
    Ja, sie konnte. Mit dem richtigen Menschen an ihrer Seite würde sie überall leben können. Das wusste sie nun. Sie brauchte kein Landhaus in England, kein Debüt vor der ­Königin. Nur den richtigen Menschen.
    »Es ist bei weitem nicht so elegant wie euer Haus«, bemerkte Vikrama leicht verschämt. Seine Stimme klang seltsam durch die verlegene Stille. »Aber es ist mein Heim, das ich mit eigenen Händen errichtet habe.«
    »Es ist das schönste Haus, das ich mir vorstellen kann«, entgegnete Grace, während sie nicht so recht wusste, wo sie hinschauen sollte. Vikramas Gesicht wirkte in dem warmen Licht noch schöner, wie das Antlitz eines Prinzen in einem ihrer alten Märchenbücher.
    »Setz dich doch«, sagte Vikrama nun, während er auf eines der Kissen deutete. Die Aussicht, neben ihm zu sitzen, ließ Grace erröten und brachte sie dazu, stehen zu bleiben.
    »Nein, ich glaube, es geht auch so. Ich …« Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Auf einmal wurde sie sich der Gefahr bewusst, in der sie schwebte – jedenfalls hätten ihre Mutter und Miss Giles das als Gefahr bezeichnet. »Ich muss gehen«, wisperte Grace daraufhin. Sie wusste darüber nicht mehr, als das Gewisper der Dienstboten auf Tremayne House hergegeben hatte, doch es reichte schon, um ihr Angst einzu­jagen.
    »Die Tür ist offen«, entgegnete Vikrama, als wüsste er um die Zweifel in ihr. »Ich werde dir nichts antun, das weißt du.«
    Aber alles in ihr schrie danach, dass er ihr etwas antun sollte. Etwas, das sie nie vergessen würde, etwas, das sie aus dem Kreis herausholte, in den sie ihre Eltern unweigerlich hineinziehen würden.
    Sie wollte nicht die Braut von George Stockton sein, sie wollte die Braut dieses Mannes sein, dieses Fremden, der ihr gleich am ersten Tag aufgefallen war.
    Und so öffnete sie die Tür nicht, nein, sie näherte sich ihr nicht einmal, sondern blieb auf der Stelle stehen, taumelte, blickte den Mann verlangend an.
    Vikrama trat zu ihr, blieb nur zwei Handbreit vor ihr stehen. Wie schon vorhin konnte sie den Duft seiner Haut riechen, seine Wärme spüren.
    Als er sie in seine Arme zog, wehrte sie sich nicht. Ihr Körper schien förmlich mit seinem zu verschmelzen, während sie seinen Kuss leidenschaftlich erwiderte und nun, mutiger geworden, begann, seine Brust und seine Schultern zu lieb­kosen.
    Doch plötzlich hielt er inne und wich zurück. Als Grace sich zu ihm neigen wollte, wehrte er sie sanft ab.
    »Das dürfen wir nicht tun!«
    »Warum denn nicht?«
    »Ich möchte dich nicht ins Unglück stürzen. Du weißt sicher, dass du schwanger werden kannst. Das will ich dir nicht antun.«
    Geschockt starrte Grace ihn an. Diese Worte wären aus dem Mund eines englischen Mannes nicht so einfach gekommen. Aber er hatte recht. Auch wenn sich ihr Körper nach seinem verzehrte, auch wenn sie gewillt war, alle Vernunft in den Wind zu schreiben, so sagte ihr doch ihr Verstand, dass es richtig war, was Vikrama sagte. Wenn sie schwanger wurde, würde das Unglück bedeuten. Ihrem Herzen waren Konsequenzen jedoch egal. Worauf sollte sie hören?
    Sie trennten sich schließlich ohne einen weiteren Kuss, ohne weitere Nähe, aber mit dem Versprechen, einander wiederzutreffen. Als Grace die Hütte verließ, stellte sie fest, dass sie die Klarheit erhalten hatte, die sie haben wollte: Sie wusste nun, dass Vikrama sie ebenso liebte wie sie ihn. Das reichte, um das Schreckgespenst der Ehe mit George Stockton für kurze Zeit verstummen zu lassen.
    Auf dem Rückweg zum Haus fühlte sie sich plötzlich beobachtet. Sie konnte nicht sagen, woher dieses Gefühl kam, doch etwas an ihren Schritten kam ihr seltsam vor, ein merkwürdiger Doppelklang, als versuche jemand, sich ihrer Schrittfolge anzupassen.
    Plötzlich knackte es hinter ihr. Grace wich mit einem kurzen Aufschrei zurück, bemerkte dann aber, dass das Geräusch über ihr war und dass sie vermutlich nur ein paar Affen aufgeschreckt hatte.

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