Die Schmetterlingsinsel
kannte. Nein, manchmal war es wirklich besser, schlafende Hunde nicht zu wecken. Tremayne musste sich darauf konzentrieren, die Plantage zu erhalten. Die dunklen Flecken auf der Weste seines Bruders waren mit ihm begraben worden, es war gewiss nicht nötig, sie aus der Gruft hervorzuzerren.
Der Mann, der ihm in der Hafenmeisterei entgegentrat, war das genaue Gegenteil seines Bruders. Blond, ein wenig rundlich, mit blauen Augen und einem leichten Bartschatten. Dennoch durch und durch ein Gentleman.
»Willkommen, Mr Tremayne, ich freue mich, dass Sie und Ihre Familie heil auf Ceylon angekommen sind.« Die beiden Männer schüttelten einander die Hände, dann begaben sie sich ins Büro. Während der ganzen Zeit fühlte sich Cahill ein wenig unwohl. Über den toten Richard Tremayne zu sprechen, ging ihm irgendwie an die Nerven. Dabei hatte er in den vergangenen Wochen das Gesicht des Toten schon so gut wie vergessen gehabt. Aber natürlich erwartete Henry Tremayne Aufklärung über den Vorfall. Während er sprach, sah Cahill wieder vor sich, wie der zerschmetterte Körper des Plantagenherrn nach Vannattupp u cci gebracht wurde. Wie die Arbeiter Spalier gestanden hatten für ihren geliebten Herrn.
Cahill, der zarter besaitet war, als es jedermann annehmen würde, war angesichts des vielen Blutes übel geworden. Dennoch hatte er beobachtet, wie das, was von Sir Richard, wie er hier trotz fehlenden Adelstitels genannt wurde, übriggeblieben war, wieder einigermaßen hergerichtet wurde.
Obwohl er Christ war, hatte Tremayne sich gewünscht, dass man ihn nach Hindu-Tradition verbrannte und seine Asche ins Meer streute. Im Nachhinein war das Cahill recht praktisch erschienen, ersparte es ihm doch die Überführung nach England, die sicher viele Wochen in Anspruch genommen hätte. Stattdessen hatte er Henry Tremayne auf Tremayne House telegrafiert und ihm später auch noch einen Brief geschrieben, in dem er ihm erklärte, dass er von seinem Bruder, aufgrund dessen Vermächtnis, keinen Grabstein finden würde.
Die Frage, wie weit die polizeiliche Aufklärung sei, konnte er nicht beantworten, doch er wusste, dass sich niemand mehr um einen Toten scheren würde, dessen Asche sich im Meer aufgelöst hatte. Am Ende des Gespräches lud Tremayne ihn zum Essen ein, eine Geste, die er überaus nett fand, denn ihm knurrte schon laut der Magen und die Küche seiner Gattin war fern.
Alles lief blendend. Die Handwerker beendeten die wichtigsten Renovierungsarbeiten, und schon bald konnte Cahill seinem neuen Herrn die Nachricht zukommen lassen, dass seinem Einzug auf Vannattupp u cci nichts mehr im Weg stand.
Nun sah er zum ersten Mal auch Mrs Tremayne und ihre Töchter. Wunderschöne Töchter, wie er fand, besonders die Ältere war ganz liebreizend. Eines Tages würde sie die Herrin der Plantage sein, und auch wenn er sie vor ein paar Tagen noch zurückgewiesen hatte, tönte jetzt wieder die Stimme seiner Frau durch seinen Kopf.
Vielleicht war es ja doch möglich, seine Töchter in die Nähe der Mädchen zu bringen …
Das Auftauchen Vikramas brachte ihn für einen Moment aus dem Konzept. Was hatte der Bursche hier zu suchen? Doch ihm blieb nun nichts weiter übrig, als gute Miene zu machen. Immerhin war der Mischling, wie er ihn insgeheim nannte, aufgrund seines Unwissens vollkommen harmlos. Er ließ sich also herab, ihn vor seinem Herrn in den höchsten Tönen zu loben, weil er wusste, dass er sich selbst damit in ein gutes Licht rückte.
Der Bursche verschwand wieder, und nachdem er Henry Tremayne das Haus gezeigt hatte, war Cahills Dienst für diesen Tag beendet.
Auf dem Weg nach Hause kam ihm ein Reiter entgegen. Dean Stockton war, das konnte man getrost behaupten, der reichste Plantagenbesitzer in der Gegend. Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als könnte Richard Tremayne ihm diese Stellung streitig machen, doch dann war das Unglück geschehen und Stockton hatte seinen Thron behalten können.
»Guten Tag, Mr Cahill, was führt Sie hier hinauf?« Stockton zügelte sein Pferd. Offenbar war er unterwegs nach Nuwara Eliya, um seine Freunde im Hills Club zu treffen. Vergeblich hatte Cahill versucht, dort hineinzukommen, wie es ihm seine Frau immer vorgeschlagen hatte. Die Plantagenbesitzer und Geschäftsleute wollten in ihrer Mitte keinen Advokaten, der keine eigene Kanzlei führte, sondern im Dienst eines von ihnen stand.
Obwohl dieser Makel an ihm haftete, behandelte Dean Stockton ihn stets ebenso korrekt, wie es seine
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