Die Schmetterlingsinsel
einem beigen Anzug mit roter Krawatte, schob die Hände in die Taschen.
»Nicht umsonst glauben einige Leute hier, dass auf diesem Ort ein Fluch lastet. Einer, den mein Vorfahre ebenso wie Ihrer über diesen Ort gebracht hat.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Jonathan erstaunt.
»Ich wusste, dass es eines Tages ans Licht kommen würde. Ein Geheimnis mag gehütet werden oder sich irgendwo hinter dem Vorhang der Geschichte verstecken. Doch früher oder später taucht jemand auf, der es findet und ans Licht zerrt.«
Ein Zittern ging durch Dianas Glieder. Die Aussage des Geschäftsführers beunruhigte sie zutiefst.
»Wir sollten das bei einer guten Tasse Tee besprechen. Kommen Sie.«
Während der Wasserkocher zu rauschen begann, setzten sich Diana und Jonathan an den Tisch des Aufenthaltsraums. Noch immer war nicht ganz klar, worauf Manderley hinauswollte, doch da sie ihm zu verdanken hatten, dass die Lösung wieder ein Stück näher zu rücken schien, wollte sich Diana in Geduld üben.
»Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, dafür, dass ich der Versuchung nicht widerstehen konnte, einen Blick auf dieses Heft zu werfen, in dem Sie gelesen haben.«
»Es steckte in den alten Rechnungsbüchern«, erklärte Diana. »Ein Wunder, dass sie zuvor niemand gefunden hat.«
»Es hat noch nie der Richtige danach gesucht«, entgegnete Manderley, während er das Wasser in die Teekanne goss und rötlich braune Schlieren sich wie Blut ins Wasser mischten.
»Ceylon-Tee zuzubereiten ist eine Kunst, aber man wird reich belohnt durch besten Geschmack. Dieser hier stammt vom Autumn flush.«
Als der Tee heiß in ihren Gläsern schwappte, fuhr Manderley fort.
»Als ich Ihre Forschungsergebnisse betrachtet habe, fiel mir auf, dass ein Name erwähnt wurde. Cahill. Er war der Advokat von Mr Tremayne.«
Er hat in dem Heftchen gelesen, durchzog es Diana siedend heiß, und es war ihr seltsamerweise genauso unangenehm, als hätte er sie beim Sex beobachtet.
»Er war einer meiner Vorfahren«, erklärte Manderley. »Seit vielen Jahrzehnten ist unsere Familie mit dem Schicksal dieser Plantage verbunden. Auch wenn die Nachkommen mehrfach versuchten, von hier wegzukommen, ein Leben woanders zu beginnen, hat es sie letztlich immer wieder hierher zurückgezogen. Als sei es ein Fluch, der auf meiner Familie liegt.«
»Da haben wir anscheinend etwas gemeinsam.«
»Ja, ich denke schon. Zumindest, was Mr Cahill angeht.«
Manderley erhob sich, ging kurz aus der Tür und kehrte wenig später mit einem kleinen Büchlein zurück.
»Das hier sollten Sie in Ihre Forschungen mit einschließen.«
»Was ist das?«
»Die Aufzeichnungen meines Vorfahren. Er hat sie niedergeschrieben, als er in der Irrenanstalt von Colombo einsaß.«
»In der Irrenanstalt?«
»Unglaublich, nicht wahr? Der Dienst an seinem Herrn hat ihn in den Wahnsinn getrieben.«
»Haben Sie es schon gelesen?«
»Nein«, entgegnete Manderley. »Dieses Heft war über Jahre Gesprächsthema in unserer Familie. Es wurde ›Die Schande‹ genannt. Als es gefunden wurde, war es zu spät, um noch irgendwen zu bestrafen. Meine Großeltern haben dieses Buch eingeschlossen, in einem Safe in unserem Haus, und jedem Kind erzählt, dass es schädlich sei, es zu lesen. Irgendwann haben wir das Interesse verloren, doch nun, da ich den Namen in den Unterlagen gesehen habe, habe ich mich wieder erinnert.«
Diana betrachtete das abgegriffene ledergebundene Buch. Ein paar Fingerabdrücke waren deutlich zu erkennen. An den Rändern prangten Tintenflecke.
»Es ist von dem Cahill, der mit Ihrem Urahnen zusammengearbeitet hat. Ich bin sicher, dass Sie darin einige schockierende Stellen, aber auch viel Erhellendes finden werden. Wenn es etwas ist, das ich wissen sollte, geben Sie mir bitte Bescheid.«
Ihre Blicke trafen sich kurz, dann goss Manderley Tee nach.
Den ganzen Vormittag lang konnte Diana nichts anderes tun, als das Büchlein von Cahill anzustarren. Jonathan machte sich nützlich, indem er versuchte, weitere Spuren des Advokaten in den Unterlagen zu finden. Tatsächlich tauchte der Name Cahill in den Lohnlisten auf und seine Unterschrift auf dem Vorsatzblatt eines Handelsvertrages.
»Diese Unterschrift könnte wichtig sein, um die Schrift zu vergleichen«, sagte er, während er ihr das Blatt reichte. Diana genügte ein Blick, um zu wissen, dass er es war.
An diesem Abend zogen sie sich recht früh zurück. Diana hatte das Büchlein beiseitegeschoben und sich anderen Unterlagen
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