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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Langsam wandte sie sich um und verließ den Raum. Aus dem Schattenversteck heraus sah Cahill, dass Tränen lautlos ihre Wangen nässten.
    In den folgenden Tagen wurden seine Dienste nicht benötigt. Regenschauer kühlten die Luft, Zeichen des beginnenden Winters in diesen Breiten. In einem Monat würden sie die Auferstehung des Heilands feiern.
    Cahill zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und wollte weder mit seiner Frau noch mit seinen Kindern sprechen. Was sollte jetzt aus der Plantage werden? Die Tremaynes ­hatten noch eine Tochter, sie würde Vannattupp u cci erben. Doch was war mit dem Ruf der Familie? Stockton würde ­gewiss nicht eher ruhen, bis Tremayne ruiniert war – erst recht, wenn sich die Behauptung von Miss Grace bewahr­heitete.
    Eine Woche später fuhr ein Wagen auf dem Rondell vor. Miss Grace nahm nur wenige Sachen mit. Mit ihr reiste Miss Giles, wahrscheinlich um sicherzustellen, dass Miss Grace keine weiteren Dummheiten machte.
    Wie der Abschied von ihrer Familie ausgefallen war, wusste Cahill nicht, doch außer Miss Victoria stand niemand an der Treppe und winkte den beiden Frauen nach. Der Wagen verließ die Plantage – wie Cahill in Erfahrung gebracht hatte, reiste Tremaynes Tochter mit einem Postschiff namens Calypso zurück nach England.
    Seit seine älteste Tochter abgereist war, war Henry Tremayne nicht mehr derselbe. Stundenlang schloss er sich in seinem Arbeitszimmer ein und wälzte Enttäuschung, Wut und Verzweiflung hin und her.
    Dann fasste sich Cahill ein Herz. Er rechnete nicht damit, dass Tremayne die Nachricht, die er brachte, aufheitern würde – ganz im Gegenteil. Doch bevor noch anderes g­eschah, hatte er sich entschlossen, ihm zu sagen, was er wusste.
    »Ich brauche nichts, Mr Wilkes«, rief Tremayne in der Annahme, dass es der Butler war.
    »Ich bin’s, Cahill!«, wisperte der Advokat. »Ich muss Sie unbedingt sprechen.«
    Stille folgte seinen Worten. Hatte Tremayne beschlossen, ihn zu ignorieren?
    »Kommen Sie rein!«, rief er schließlich.
    Beim Eintreten erschrak Cahill, denn so hatte er seinen Herrn noch nie gesehen.
    Es waren nicht so sehr seine Kleider: Dass er kein Jackett trug, war schon vorgekommen. Doch auf seinem Gesicht wucherten Bartstoppeln, sein Mund war eine zusammengepresste blasse Linie, und seine Augen lagen in tiefen, verschatteten Höhlen.
    »Was wollen Sie, Cahill?«, fragte er. Auch seine Stimme klang anders. Es war, als sei sie innerhalb der vergangenen Tage um viele Jahre gealtert.
    »Ich glaube, ich habe da etwas, das Sie interessieren könnte.«
    Henry zog die Augenbrauen hoch. »So?«
    »Es gibt da etwas, das Sie wissen sollten, jetzt, da …« Der zornige Blick seines Herrn ließ ihn verstummen. Tremayne erhob sich hinter seinem Schreibtisch, als wollte er sich auf ihn stürzen. Doch er straffte sich nur und sagte dann: »Kommen Sie rein.«
    Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, durchzuckte ein Gedanke Cahill kurz. Mach es doch nicht noch schlimmer, als es ist. Doch der Rubikon war überschritten, es gab kein Zurück mehr. Sein Herr hatte ein Recht auf die Wahrheit. Damit die Spuren der Vergangenheit ein für alle Mal getilgt werden konnten.
    »Sie werden verstehen, dass ich nicht viel Zeit habe, Mr Cahill«, begann Tremayne, während er auf den Stuhl vor dem Schreibtisch deutete, als Zeichen, dass sich der Advokat setzen sollte. »Also kommen Sie möglichst rasch zur Sache.«
    An dem aufgeschlagenen, aber nicht veränderten Geschäftsbuch erkannte Cahill, dass Tremaynes Zeit von etwas anderem als Arbeit geraubt wurde.
    »Es gibt da gewisse Entwicklungen. Dinge, die ich Ihnen bei Ihrer Ankunft verschwiegen habe, weil ich sie nicht als wichtig erachtet habe.«
    Henrys Miene verfinsterte sich, doch er schwieg weiterhin aufmerksam.
    »Aufgrund der vergangenen Ereignisse ist Ihnen Mr Vikrama sicher noch im Gedächtnis.«
    Tremaynes Schnaufen verriet, dass er sich noch sehr gut an ihn erinnerte. »Was ist mit ihm? Hat er noch mehr angestellt, als meine Tochter zu verführen?«
    »Ich fürchte ja, wenngleich es nicht seine Schuld ist, sondern die Ihres Bruders.«
    »Richard? Was hat er mit ihm zu tun?«
    Cahill zögerte und fühlte dabei eine beinahe perverse ­Erregung. Endlich würde er das, was er schon so lange mit sich herumschleppte, loswerden.
    »Als Ihr Bruder nach Vannattupp u cci kam, fand er Gefallen an einer jungen Pflückerin. Bei Gott, sie war wunderschön! Goldene Haut, pechschwarzes Haar und seltsame grüne Augen, wie man

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